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Franz Gertsch: Jahreszeiten - Werke 1983 bis 2011: Die Sehsucht des Franz Gertsch

Im Frühsommer 2004 lud das Kunsthaus Zürich mit den Landschaften von Ferdinand Hodler zum stundenlangen Verweilen ein; nun ist es Franz Gertsch, der mit seinen „Landschaften“ erfreut. Ob es sich hierbei um Jahreszeiten oder die Gesichtslandschaften seiner weiblichen Portraits handelt, spielt hierbei keine so große Rolle, denn auch in letzteren spiegelt sich die Leidenschaft Gertschs die Faszination der Natur abzubilden wieder. Die Ausstellungsabfolge ist leicht nachvollziehbar, dennoch durch prägnante Gegenüberstellungen raffiniert aufgebaut. In seinem Buch „Holzschnitte“ gibt es diese eine Fotografie, welche Gertsch am Ufer des Schwarzwassers mit wehendem Mantel wandelnd zeigt, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, den Blick nach unten gerichtet. Konzentriert, dem Augenblick seinen besonderen Stellenwert zuweisend, einen Moment des Zeitflußes im Fluß des Wassers festhaltend: „Schwarzwasser II“ (1994). Mit diesem Auftakt beginnt der Bilderreigen. Die nun im 1. Raum folgenden vier „Gräser“ bilden eine überaus sinnvolle Entschleunigung, um sich auf das folgende Wechselbad einzulassen. In seinen Grasbildern lotete Gertsch erstmals das Potential der Motive der Landschaftsmalerei aus; mit ihnen überschritt er den Rubikon und betrat vollends das Universum malerischer Unschärfrelationen. Nun folgen vier Räume, die den Jahreszeiten gewidmet sind. Jeder einzelnen Jahreszeit ist an der gegenüberliegenden Wand quasi als Pendant eines seiner großartigen Portraits gegenübergestellt; an den Seitenwänden von verschiedenen seiner Holzschnitte begleitet. Betrachtet man also den Grundriß der Ausstellung, so ergeben sich vier aus Jahreszeit und Portrait bestehenden Pendants, die von einer Längsachse der Holzschnitte gekreuzt werden. Hierbei unterscheiden sich die einzelnen Kojen in ihrer Farbwirkung erheblich voneinander. Nimmt man beispielsweise den „Frühling“ (2011) so steht diesem „Silvia II“ (2006) gegenüber. Mit ihrem schwarzen T-Shirt vor hellblauem Hintergrund eine farbige Andeutung, die sich im Himmel und den Ästen findet. Ebenso wie die frühlingshaften Farben wird die Dichte ihrer Haare von der vernetzten Struktur der Äste förmlich widergespiegelt. Begleitet und abgerundet wird dieser harmonische Farbklang von der vierfachen „Dominique“ (1988) in Malachit, Lapislazuli-Asche, Violett und Honigfarben. Auch bei den Pendants „Johanna I“ (1984) mit dem „Herbst“ (2008) und schliesslich dem „Sommer“ (2009) mit „Silvia I“ (1998) – von Norberto Gramaccini vortrefflich beschrieben – handelt es sich um farbenfrohe Dialoge. Diesen Duetten steht mit dem „Winter“ (2009) und dessen „Silvia III“ (2004) eher ein Duell gegenüber, welches von weiteren „Schwarzwassern“ sekundiert wird. Die vor einem dunkelblauen Hintergrund Posierende scheint auf den ersten Blick nicht mit den Brauntönen des Winterbildes zu harmonieren, wäre da nicht dieser rötlich-braune Busch im unteren Drittel des winterlichen Waldes. Erst dieser Wirbel bringt das Bild wahrhaft zum Klingen und Rotieren. Umso so heftiger tritt das Weiß des Schnees vor dem dunklen Grau und Braun der Bäume in Erscheinung. Einen Augenblick lang glaubt man die flirrende, klirrende Kälte zu spüren. Dann ein Blick auf die Wand gegenüber. Auch bei „Silvia III“ findet sich in ihren Haaren dieser farbengleiche Wirbel, der die Strenge der ganzen Komposition aufbricht. So wie der Ausschnitt des Haarwirbels dem Ausschnitt der Hecke gleicht und ein Fragment der Unruhe im großen Ganzen der Ordnung ist, folgt der Frühling unweigerlich auf den Winter und stetig wächst der Kreis der Sehsüchtigen vor den Werken von Franz Gertsch.
Mehr Texte von Harald Krämer

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Franz Gertsch: Jahreszeiten - Werke 1983 bis 2011
10.06 - 18.09.2011

Kunsthaus Zürich
8001 Zürich, Winkelwiese 4
Tel: +41 (0) 44 253 84 84, Fax: +41 (0) 44 253 84 33
Email: info@kunsthaus.ch
http://www.kunsthaus.ch
Öffnungszeiten: Di 10.00 - 18.00, Mi - Fr 10.00 - 20.00, Sa - So 10.00 - 18.00


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