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Rudolf Steiner – Die Alchemie des Alltags: Dornacher Napfkuchen

Die Anthroposophie ist zweifellos ein Phänomen,– für Nichteingeweihte in ihrer Rigidität schwer nachvollziehbar und für viele ehemalige Waldorf-Schüler ein etwas peinlicher Teil ihrer Jugend. Letztes Endes ist die Tatsache, dass sie sich anders als die meisten anderen geistig-organischen Lebensreform-Bewegungen der Jahrhundertwende bis heute auch in ihren formalen Ausprägungen praktisch unverändert erhalten hat, jedenfalls eine nähere Betrachtung wert. Dies unternimmt anlässlich Rudolf Steiners 150. Geburtstages die jetzt im MAK zu sehende Ausstellung des Vitra Design Museums, das seinen Standort nahe dem Steiner-Olymp im Schweizerischen Dornach hat. Da geht es gleich in die vollen: mit Tafelzeichnungen von Steiner, Büchern, Manifesten, Briefen und schlumpfhausen-artigen handgeschnitzten Möbelmonstren von enormen Dimensionen, die sich auf Fotografien nicht vermitteln lassen. Analogien und Berührungspunkte zum böhmischen Architekturkubismus, zu Erich Mendelsohn, zu Frank Lloyd Wright, Bruno Taut, Hans Poelzig, Hugo Häring und Hans Scharoun sind nicht von der Hand zu weisen, Einflüsse auf den aus der Theosophie kommenden Piet Mondrian, Wassily Kandinsky und Paul Klee ebenfalls nicht – aber vieles davon war eben auch Zeitgeist; nicht alles, was Kristall und Prisma thematisiert, kommt von Steiner, der seinerseits ja auch Kind seiner progressiven Zeit war. Fraglos sind seine Verdienste um den modernen Sichtbetonbau, gerade mit dem von Steiner gemäß dem Umstülpungs-Prinzip mit einem Napfkuchen verglichenen Dornacher Goetheanum. Um der Anthroposophie gerecht zu werden, muss man sie als Lehre und nicht als künstlerischen Stil sehen, mit irgendwann mehr oder weniger willkürlich festgeschriebenen und daher nicht hinterfragbaren und nicht modifizierbaren Parametern. Daher überzeugt auch die Gegenüberstellung von Steiners Architektur, Grafik und Formgebung mit der zeitgenössischer Designer und bildender Künstler nicht ganz – eben einfach, weil der Zeitgeist ein anderer ist und ein Einfluss von Theo- und Anthroposophie auf das geistige Leben der Gegenwart praktisch nicht mehr besteht. Gerade in ihrer profunden Darstellung eines mittlerweile hundertjährigen eigenen formalen Kosmos ist sie aber auf jeden Fall sehenswert.
Mehr Texte von Iris Meder †

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Rudolf Steiner – Die Alchemie des Alltags
22.06 - 25.09.2011

MAK - Museum für angewandte Kunst
1010 Wien, Stubenring 5
Tel: +43 1 711 36-0, Fax: +43 1 713 10 26
Email: office@mak.at
http://www.mak.at
Öffnungszeiten: Di 10-21, Mi-So 10-18 h


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