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Hans-Jörg Mayer: Maler des modernen Lebens

\"Er sucht\", schreibt Charles Baudelaire über Constantin Guys, seinem \"Peintre de la vie moderne\", \"nach dem gewissen Etwas, das wir Modernität nennen möchten. Es geht für ihn darum, von der Mode dasjenige loszulösen, was sie an Poetischem im Historischen enthalten könnte, darum, das Ewige aus dem Transitorischen zu ziehen.\" Dieser Satz stammt aus der Zeit um 1860 und beinhaltet die vielleicht wichtigste Verfügung, die die Kunstkritik der Moderne getroffen hat. Für den Rezensenten jedenfalls ist Modernität der Begriff für all das, was ihn interessiert an den jeweiligen Künsten einer Gegenwart. In der Galerie Senn ist jetzt einer der seltenen Fälle gegeben, wo man sehen kann, was Modernität bedeutet. Hans-Jörg Mayer hat sechs großformatige Tafeln aus Köln mitgebracht, und vor allem im ersten Raum ergibt sich der großartige Eindruck der Aktualität des Zeitlosen. Ein Typ, struppig, etwas melancholisch, blickt zum Beispiel von der Leinwand, umgeben von einem zum Monochromen tendierenden Kolorit, das kitschig wirkte, wenn es abstrakt gemeint wäre. Doch ist es sehr bildhaft verstanden, buchstäblich geradezu, denn es steht für das Rotlicht-Milieu, aus dem der auf Lässigkeit getrimmte Zottelbart augenscheinlich kommt. Der Kerl entstammt noch einer zweiten Umgebung. El Greco hat sie ausgelotet, namentlich in der Darstellung der Entkleidung Christi, \"el espolio\", und nun versteht man die Triefaugen von Mayers Modell und die seltsame Entrücktheit seiner Züge. Der Künstler hat eine Passionsfigur genommen und dafür eine Szenerie gefunden, die eine zeitgemäße Form von Ausziehen vorführt. Die fundamentale Bestimmung von Modernität, hier feiert sie die prächtigsten Urständ. Wenn Manet auf Tizian zurückgreift und Jeff Wall auf Delacroix, so passiert hier das gleiche mit El Greco. Rotzig, trashig, unverfroren, ganz nach altem Kölner Avantgardismus, geht Mayer zu Werke, und er besetzt dabei jene schmale Interferenzzone, in der die Kunstgeschichte der Gegenwartsrealität etwas zu sagen hat - und in der die Kommunikation womöglich sogar umgekehrt funktioniert. Der Rezensent hat einmal beim Austernessen eine Perle gefunden. So ähnlich ergeht es ihm nun in der Galerie Senn.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Hans-Jörg Mayer
13.09 - 31.10.2002

Gabriele Senn Galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 1 a
Tel: +43 1 585 25 80
Email: office@galeriesenn.at
http://www.galeriesenn.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-17h, Sa 11-14h


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