255 804 km² - Junge Kunst aus dem ehemaligen Jugoslawien: Grenzenlose 255 804 km²

Alleine schon der Titel dieser Schau zeigt wie sehr es den Kuratorinnen Alenka Gregoric und Mateja Podlesnik darum geht nicht in die Falle klischeebehafteter Bezeichnungen wie „Balkan“ oder „Ex-Jugoslawien“ zu tappen. Stimmig stellt sich dann auch das gezeigte dar, Kunst jenseits eines verklärenden Balkan-Klischees aber dennoch der historischen und gegenwärtigen Verbundenheit dieses Gebietes Rechnung tragend. In den zum Großteil dokumentarischen Arbeiten wird dann auch nicht - wie noch vor wenigen Jahren in solchen Schauen üblich - der Krieg und die Spaltung in einzelne Nationalstaaten thematisiert, wenngleich dieser Hintergrund doch deutlich spürbar bleibt, sondern die Gegenwart. Als Konstitutiv für diese sehr spannende Schau könnte man die Tatsache anführen, dass sich beinahe alle Arbeiten mit dem Leben und Alltag sogenannter „normaler“ Menschen beschäftigen. Hier wird weder abgehobene „Hochkultur“ noch „Populärkultur“ sondern einfach und ergreifend die Erforschung diverser Phänomene des täglichen Lebens mit künstlerischen Mitteln gezeigt. Als Beispielhaft kann hier die Arbeit „Tibet“ von Alban Muja angeführt werden in der ein junger Mann erklärt wie er als ein in der Schweiz lebender Kosovare zu dem ungewöhnlichen Vornamen Tibet kommt. Der Bezug zu Geschichte und Politik stellt sich in diesem Video über das Leben eines Menschen und seines Namens her, wodurch sich wunderbar zeigt wie alles, auch ein Vorname, politisch sein kann, ja muss. Die Bandbreite der gezeigten Werke reicht von den märchenhaften Photos von Sofija Silvia über den „Amazing Technicolor Dramacoat“ von Dusica Drazic bis hin zu den raumspezifischen Interventionen von son:DA und ist durch das auffällige Fehlen von traditioneller Malerei und Skulptur geprägt. Auf jeden Fall eine sehr sehenswerte Ausstellung für alle, die einen Eindruck vom nicht- akademischen und offiziell geförderten aktuellen Kunstgeschehen in dieser Region bekommen wollen.

Mehr Texte von Wolfgang Pichler

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!

255 804 km² - Junge Kunst aus dem ehemaligen Jugoslawien
27.05 - 23.06.2011

HilgerBROTKunsthalle
1100 Wien, Absberggasse 27
Tel: +43 1 512 5315 220, Fax: +43 1 603 0639
Email: brot@brotkunsthalle.com
http://www.brotkunsthalle.com
Öffnungszeiten: Di-Sa: 12-18h

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum