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Carl Ludwig Engel und das klassizistische Helsinki: Kapitol an der Ostsee

Nicht dass auf dem Senatsplatz von Helsinki nicht auch ab und zu Wettbewerbe im maschinellen Zersägen von Baumstämmen veranstaltet würden. Das tut der Würde des Platzes vor der mächtigen Nikolaikirche aber keinen Abbruch; als Kapitol der finnischen Kapitale funktioniert er erstklassig. Das unverkennbare klassizistische Gesicht der Stadt, deren Umriss zwischen ihren zahlreichen Meeresarmen am ehesten mit dem einer auf der Straße zerplatzten Tomate vergleichbar ist, lässt an St. Petersburg denken. Zu verdanken ist es vor allem dem preußischen Architekten Carl Ludwig Engel, einem geborenen Berliner und Zeit- und Gesinnungsgenossen Karl Friedrich Schinkels. Engel kam, der schlechten Geschäftslage seiner Heimat entfliehend, über Reval (Tallinn) und das damals russische Turku nach St. Petersburg, wo seine Entwürfe dem repräsentativen nordeuropäischen Klassizismus so gut entsprachen, dass Zar Alexander I. persönlich ihn nach Helsinki beorderte. Der Planungsbedarf war dort nach einem verheerenden Brand und der 1812 erfolgten Erhebung zur Hauptstadt des Großfürstentums Finnland beträchtlich. Engel bescherte das ein lebenslanges Auskommen und bald auch ein eigenes Haus am "Bulevardi" mit Garten und Gewächshaus. Mit ihrer harmonischen Massengliederung steht Engels Architektur unter dem starken Einfluss Palladios, den auch die Ausstellung anhand von Vergleichsbeispielen zeigt. Da die finnischen Leihgeber ihre großformatigen farbigen Originalblätter (die teilweise in den sechziger Jahren in einem schwedischen Kartoffelkeller auftauchten) nicht aus der Hand geben, sind allerdings bedauerlicherweise nur schlecht aufgezogene Reproduktionen zu sehen. Was Friedrich Weinbrenner für Karlsruhe und Klenze und Gärtner für München, war Engel nicht nur für Helsinki, sondern für ganz Finnland. Sein Tod 1840 war das unwiderrufliche Ende einer Epoche der finnischen Architektur.
Mehr Texte von Iris Meder †

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Carl Ludwig Engel und das klassizistische Helsinki
06.09 - 02.10.2002

Wiener Planungswerkstatt
1010 Wien, Friedrich-Schmidt-Platz 9
Tel: +43 (01) 4000 88888, Fax: +43 (01) 4000 99 88888
Email: wpw@ma18.wien.gv.at
http://www.stadtentwicklung.wien.at


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