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Sowjetische Fotografie der 1920er-/1930er-Jahre - Von Piktorialismus und Modernismus zum Sozialistischen Realismus: Die Höhle des Bären

Man stelle sich vor: Jemand erfindet einen Kasten, durch den die Gegenstände der sichtbaren Welt dauerhaft festgehalten werden können. Doch anstatt die Möglichkeiten dieser neuen Apparatur vom Größten ins Kleinste zu erforschen, verharrt ein Gutteil der Statthalter des Neuen in einer Art Platon?scher Höhlenposition und schafft Bilder nach Bildern, die man schon kennt. Die Ausstellung im Historischen Museum der Stadt Wien mit 280 Fotografien von zehn russischen Künstlern und Fotojournalisten der Zwanziger und Dreißiger Jahre spannt einen Bogen, der mit der aus dem Westen importierten piktorialen Fotografie seinen Anfang nimmt. Die Piktorialisten gaben sich Mühe, ihre Bilder wie gemalt aussehen zu lassen, ganz im Gegensatz zu den Modernisten, die versuchten, die spezifischen künstlerischen Möglichkeiten ihres Mediums auszuloten. In den Dreißigern wurden diese beiden rein der Kunst verschriebenen Richtungen von der politisch diktierten Fotografie des Sozialistischen Realismus erzwungenermaßen abgelöst. Die Fotos der russischen Piktorialisten sind zweifellos schön, besitzen aber mit ihrem Bezug auf die Malerei des 19. Jahrhunderts einen rückwärts gewandten Habitus. Spannender ist da schon die radikale ästhetische Erneuerung der Moderne. Alexander Rodtschenko war derjenige, der mit seiner Forderung eines \"Neues Sehens\" die bis dahin in der russischen Fotografie herrschende \"Höhlensituation\" auflöste. Seine Fotos aus ungewohnten Blickwinkeln, mit neuen An-, Aus- und Untersichten sind unvergleichlich viel näher an der damaligen Wirklichkeit - und unseren heutigen Sehgewohnheiten. Die Ausstellung bringt vieles, das man in Wien noch nicht oder nicht oft sehen konnte. Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Positionen scheint durchaus angemessen. Trotzdem bleibt der Gesamteindruck blass: Das Ganze der Ausstellung ist leider weniger als die Summe seiner Teile. Man spürt deutlich: Wäre es zu Zeiten Rodtschenkos in ästhetischer Hinsicht nach den Statthaltern dieser Ausstellung gegangen, der russische Bär hätte in der Höhle verharrt.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Sowjetische Fotografie der 1920er-/1930er-Jahre - Von Piktorialismus und Modernismus zum Sozialistischen Realismus
12.09 - 20.10.2002

Wien Museum
1040 Wien, Karlsplatz
Tel: +43 1 5058747-0, Fax: +43 1 5058747-7201
http://www.wienmuseum.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 09-18, Sa, So 10-18 h


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