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Lieber Maler, male mir... - Radikaler Realismus nach Picabia: Softeis

Riesentitten von John Currin, blonde Pin-Up-Engel mit rosa Flügeln von Sigmar Polke. Carry Grant, wie Gott ihn schuf von Kurt Kauper. Der Star mit Bräunungsstreifen posiert vorm Häuselbauertraum: Dem englischen Kamin mit heimeligem Feuer. Es menschelt in der Wiener Kunsthalle. Manege frei für die Spielarten figurativer Malerei. Die Revuefraktion ist mit nacktem Fleisch vertreten, weiters sorgen Realismus, Satire, Hintergründiges und Individuelles für ein breites Spektrum gehobener Kunstunterhaltung. "Lieber Maler, male mir...." nach dem titelgebenden Kippenberger-Zitat wildert man ungeniert im Schrebergarten von Kult und Klischee, Kippenberger ist auch dabei. "Radikaler Realismus nach Picabia" führt hart an die Schmerzgrenze zwischen Kunst und Kitsch. Der ästhetische Lumpensammler Francis Picabia brachte im meisterlichen Spiel mit der Populärkultur beides zur Deckung. Kräftig drückte er auf die Glanzlichttube, um einer "Femme nue devant la glace" erotischen Schmelz ins Aug zu legen, blutrote Lippen, schwarze Lidstriche, die Rückenansicht einer effektvoll beleuchteten Nackten schöpfen aus dem Vollen des Kitsch-Repertoire. Gemein treibt John Currin Populäres an die krankhafte Spitze. Glenn Brown transformiert ein Reservoir an Vorlagen, bis sie unter der ausgefeilten Technik unzähliger zarter Farbstränge zu deformierten Porträts kalter Grausamkeit gerinnen. Kurt Kaupers perfekt realistisch gemalte Traumdiven und Stars scheinen kurz vom Hochglanzmagazin auf die Leinwand entsprungen. Entspannt lassen sich Alex Katz? distanzierte Arbeiten betrachten, der die Coolness der New Yorker Upperclass in kühles Licht taucht. Figuren, die nicht zu nahe kommen. Wärme und Verletzlichkeit strahlen die kleinen, sensiblen Porträts von Elizabeth Peyton aus. The generation after. Dazu zählt auch Katrin Plavcak. Ihre in locker-leichter, zarter Farbigkeit gemalten Bilder lassen viel Raum für Assoziationen. Sensationell ist die Begegnung mit Bernard Buffet. Der Lieblingsmaler von Andy Warhol entpuppt sich als Highlight im illustren Reigen. Sensible, differenzierte Farben. Menschen, auf Linie und Fläche verknappt und doch voll Charakter, Charme, Poesie und Ausdruck. "Lieber Maler, male mir..." ist wie Softeis. Erfrischend, süß, grell, schmeckt gut und ist schnell geschmolzen. Doch weniger leicht, als es scheint.
Mehr Texte von Isabella Marboe

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Lieber Maler, male mir... - Radikaler Realismus nach Picabia
20.09.2002 - 01.01.2003

Kunsthalle Wien Museumsquartier
1070 Wien, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 521 89-0
Email: office@kunsthallewien.at
http://www.kunsthallewien.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-19, Do 11-21 h


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