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Museumsfreier Montag

Wenn der 1. Mai auf einen Sonntag fällt, komme ich ganz durcheinander. Ich weiß nicht, ob es an diesem Tag nun um mehr oder um weniger Arbeit geht: Der „Tag der Arbeit“ klingt nach Lobpreisung der Arbeitswut, der Sonntag hingegen ist das religiöse Bollwerk genau dagegen; eine Kombination davon erscheint mir widersinnig. Da fehlt mir am Abend ein wirklich von „Arbeit“ freier Tag. Deshalb möchte ich erstens vorschlagen, den 1. Mai in den „Tag der sozialen Gerechtigkeit“ (Motto der diesjährigen Kundgebung vor dem Wiener Rathaus) umzubenennen, und zweitens dieses Jahr auch den Montag danach zu feiern, also den Montag arbeitsfrei zu halten. Jahrhunderte lang wäre ich mit solch einem Ansinnen nicht einmal groß aufgefallen: Am „Blauen Montag“ hatten oder machten Dienstboten, Handwerker, Mägde und Knechte ohnehin traditionell frei. Auch in Wien. Und wissen Sie, was die Leute vor mehr als 200 Jahren an diesem Tag dann machten? Sie gingen zum Beispiel zuhauf ins Museum! Die kaiserliche Gemäldegalerie im vormaligen Schloss des Prinzen Eugen hatte an diesem Tag nämlich bei freiem Eintritt geöffnet. Es gibt Berichte, wonach die Säle montags regelmäßig zum Brechen voll waren! Leider wissen wir nicht genau, was die Leute im Museum dann so gedacht und getrieben haben. Ich nehme an, sie hatten ihren Spaß, haben miteinander geplaudert und die schöne Aussicht vom Belvedere bewundert. Führungen und Museumspädagogik gab es damals ja noch nicht. Aus solch einer Historie heraus finde ich es allerdings bedauerlich, dass die meisten Museen aktuell justament montags geschlossen sind. Wäre es nicht weiterhin eine sympathische Form des Widerstandes gegen die industrielle Arbeitszeitdisziplinierung, sie auch heute bei freiem Eintritt für alle geöffnet zu halten? Man stelle sich das nur mal vor: Statt der üblichen Stille, wenigstens einmal die Woche Ramasuri in den Hütten (das wäre so schön wie in Londons National Gallery jeden Tag). Aber ich habe noch eine andere Anregung zur Wiederaufnahme guter Traditionen: Wie wäre es, die „Montagsvorlesungen“ wieder einzuführen? Das waren allwöchentliche Vorträge, die ab 1994 im Auftrag des damaligen Bundeskurators Markus Brüderlin abgehalten wurden. Das wäre doch ein schöner Abschluss eines freien Tages: Abends ein anregender Vortrag über die Kunst (des Lebens). Damit wäre man gut auf die nächsten Tage der Woche vorbereitet. Bis diese guten Vorschläge allerdings umgesetzt sind, müssen Sie mit den „Causeries du lundi“ vorlieb nehmen. Auch die erscheinen ja immer am Montag und führen von daher den Namen „du lundi“. Der Ausdruck „Causerie“ wiederum bedeutet soviel wie Geplauder. Der im 19. und 20. Jahrhundert europaweit geläufige Ausdruck wurde vom französischen Literaturkritikers Charles-Augustin Sainte-Beuve (1804-1869) geprägt. Seine geselligen Essays waren immer relativ kurz. Schließlich sollte man am Montag nichts, oder zumindest nicht so viel arbeiten. Freundschaft!
Mehr Texte von Vitus Weh

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
montag ist museumstag
bitteichweisswas | 02.05.2011 06:55 | antworten
ganz meiner Meinung!

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