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Höhenrausch 2 - Brücken im Himmel: Höhenflug und Schweinehund

Was schon bei seiner Premiere absoluter Publikumsmagnet gewesen ist, sollte auch bei einer Neuauflage nicht ins Bodenlose abstürzen: „Höhenrausch“, spektakulärer Parcours auf und über dem Offenen Kulturhaus in Linz, war der zugkräftigste Überflieger im Jahr als Europäischer Kulturhauptstadt 2009 und führt mit 270.000 Besuchern weiterhin das landesweite Ranking der Ausstellungen mit Gegenwartskunst an. Nach knapp acht Wochen sind in „Höhenrausch.2“ auch schon wieder 75.000 Schau- und Staunlustige zu verbuchen, Tendenz steigend… Mit „HR.2“ ist sich das OK jedoch nicht nur aufs eigene Dach gestiegen, man hat mit 51 Künstlern aus 17 Nationen und 46 Projekten buchstäblich noch eins drauf gesetzt. Im Fokus auf die Themen Wasser und Luft – für ein Outdoor-Vergnügen eigentlich nahe liegend – wagt das Team der Spektakelmacher um Direktor Martin Sturm erneut den supervisionären Zugriff auf das Areal über der Linzer Innenstadt. Die Kunst muss nicht länger erlösungsbedürftig eine verführerisch lockende Himmelsstiege erklimmen; wohlwollende Brücken der Solidarität werden etwa zur erstmals integrierten Ursulinenkirche geschlagen, die vom Dachgeschoss und den beiden Glockentürmen abwärts Teil des ambitionierten Freizeit- und Erlebnisparks ist. Der Kirchenraum darunter beherbergt seit Kurzem eine Klanginstallation von Janet Cardiff und George Bures Miller. Und die kühne Konstruktion der beiden luftigen Stege (Conzett, Bronzini, Gartmann) ist nun nicht nur für den staunenden Nebenerwerbszimmermann einer der Höhenpunkte im Blockbuster auf Abruf. Auch knapp unter den Wolken kann die Freiheit der Kunst wohl grenzenlos sein; in dünner Luft geht das Handwerk des Ingenieurs mühelos in die Geistesarbeit des Künstlers über, bezogen und frei, angewandt (auf das Leben) und abgewandt (vom Leben) verschwimmen im Gleichklang der gemischten Gefühle. Apropos: Im eher verhaltenen Gang zur Kirche stellt sich beinahe unabwendbar dieses unbestimmbare Kribbeln in Magengrube und Kniekehle ein, auf das die Ausstellung unter anderem abzielen wollte: Jenes halbaußerirdisch anmutende, weil aus dem Innersten von Ohr und Innereien kommende Rauschen und Sausen, Schweben im Schwindel, Stichwort innerer Schweinehund. Und man fühlt sich fast schon geborgen im Schoß der Kirche, der immer schon ein Turm sein wollte... Das visuelle Angebot der Arbeiten ist beeindruckend, auch wenn ein Teil davon in einem „Blauen Kabinett“ lediglich verwahrt scheint. Pipilotti Rists Rauchblasen schlagende Seifenblasenmaschine zählt zu den absoluten Highlights, Ursula Stalders havarierter Wohlstands- und Alltagsschrott aus der Lagune von Venedig oder Pepi Maiers sich in barocken Windungen schlängelndes Gebilde aus Eis. Nicht übersehen sollte man in jedem Fall den Power Tower der Energie AG Oberösterreich als Außenstelle des OK, wo man unausweichlich auf Eva Schlegels sich selbst organisierende Wolke aus 1200 Wetterballons trifft, Werner Reiterers Selbstbildnis als Aeronaut, der an die Decke gegangen ist, und und und... Aber selbst der unbeschwerte Pavillon von Jeppe Hein, gebaut aus Wasser, Düsen und jeder Menge Spaß, wird in den Schatten des Zweifels gestellt durch die Nebelskulptur der japanischen Künstlerin Fujiko Nakaya (Jahrgang 1933!): Im Kern und als Idee in den 70er Jahren entwickelt, kann in den Schwaden, die vom Dach des benachbarten Parkhauses aufsteigen, ausfransen und zerstieben, unversehens in Ein- und Ausfahrten zurückweichen und dann wieder in den Luftraum über Linz vorstoßen, nicht nur auf den unlängst abgelegten Nimbus als „Stahlstadt“ verwiesen werden. Unwillkürlich aber umso nachdrücklicher blitzen sie auf, die unwirklichen Bilder vom Horrorszenario des atomaren Alptraums in Japan, verharren wie ein trügerisch schillernder Schleier über dem unschuldig-sinnenfrohen Geschehen. Und das wird lange in Erinnerung bleiben vom zweiten „Höhenrausch“.
Mehr Texte von Stephan Maier †

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Höhenrausch 2 - Brücken im Himmel
13.05 - 16.10.2011

OK Linz
4020 Linz, OK Platz 1
Tel: + 43 732 7720-, 52502
Email: info@ooelkg.at
http://www.ooekultur.at
Öffnungszeiten: Di, So, Fei 10-18 h


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