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Curated by_ Liliana Popescu: Porträts und Selbstporträts in Privatsammlungen: Engführung, die beklemmt?

Bis auf die Eremiten, von denen in der Neuzeit wenige bekannt geworden sind, verbringen die meisten Menschen ihr Leben in der Nähe von anderen Menschen. Nimmt man die neuen Medien als Mittel, Nähe über Zeit und Raum hinweg herzustellen, gibt es mehr Nähe von Menschen zu anderen Menschen als je zuvor. Demgegenüber kann man sich wundern, wie selten das Menschenbild als Figur in der Kunst heute gefragt ist. Oder man kann es als erfrischende Tatsache werten, dass die von Liliana Popescu in der Galerie Knoll kuratierte Schau „Portraits and Self-Portraits in Private Collections“ Bedarf und Sehnsucht nach Menschenbildern offenbart, der in der westlich orientierten Kunstbetriebsgesellschaft merkwürdig abhanden gekommen scheint. 35 Werke von 22 Künstlern aus privaten Sammlungen in Budapest, Bukarest, Riga, Tallinn, Varna und Vilnius zeigen in sehr verschiedenen ästhetischen Zugängen Menschen. Es sind kaum schmeichelhafte Portraits darunter und selbst die Szenerie „Gymnast“ (Adomas Danusevicius, Öl auf LW, 60x80, 2008) produziert keine sportliche Idylle, vielmehr sieht man drei spirrelige Körper in Bewegung vor blockartig gesetztem, schwerem Grün – Grün, in dem die Körper eigentlich ertrinken müssten. Razvan Boar hat zwei kleinen, graubraun gehaltenden Männerportraits Pölster umgebunden (Untitled 1 und Untitled 3, je 30x30, Öl auf LW, 2011), die Arbeiten von Roman Tolici (1, 180x180,Öl auf LW, 2010) und Andriaus Zakarausko (Thank you for the possibility, 170x150, Öl auf LW, 2008) konfrontieren den Betrachter mit Rückenansichten – bei Tolici steht ein fotorealistisch gemalter Mann unter Bäumen auf einem Koffer, bei Zakarausko scheinen sich die in großzügigen Farbflächen angelegten Personen in eine weiße Wand hinein aufzulösen. Catalin Burcea stellt mit Puppen eine Nan-Goldin-artige Badezimmer-Szene dar (Untitled #005, 53,5x59,5, Lambda-Print, Red leigt box, 2007) – eine Puppe raucht auf der Toilette sitzend, die andere badet und hat rote Kratzer am Arm. Allgemein lässt sich nicht behaupten, dass die ausgestellten Bilder eine wirkungsvolle Marketingkampagne über Schönheit und Gutwilligkeit des menschlichen Geschlechts darstellen – zu abwesend und disparat sind die dargestellten Personen, zu sehr vermittelt sich der Eindruck von Brüchigkeit und Skepsis gegenüber der Spezies – ohne, dass etwa kubistische Scherben oder aktionistische Blutungen dafür eingesetzt werden. Die scheußlichsten Verformungen finden sich bei Mikhel Kleis (Brutal gardener, 78x99, Öl auf LW, 2009), der einen Mann ohne Nase, aber mit knallrotem Rachenraum und vor schrill psychedelisch gefärbter Landschaft zeigt, und László Györffy (Artist who cannot be saved on a floppy-disc, 100x70, Öl auf LW, 2002), dessen haarloses, nacktes (Selbst?)portrait mit schiefem Blick von unten am Scheibtisch sitzend eine tropfenartige Zangenauflösung seiner linken Hand vorführt. Natürlich ließe sich behaupten, die hiesig produzierte Kunst sei demgegenüber auf Augenhöhe mit den Auflösungserscheinungen, die das globale Miteinander der Einzelidentität abverlange. Aber man könnte auch sagen: hier wird sich nicht mehr getraut, den ganzen Menschen zu hinterfragen, solange es sich dabei nicht um einen kirchlichen Würdenträger oder einen echten Terroristen handelt – und hier wird sich auch nicht mehr getraut, das Ergebnis einer solchen Befragung auszuhalten.
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Curated by_ Liliana Popescu: Porträts und Selbstporträts in Privatsammlungen
13.05 - 18.06.2011

Knoll Galerie Wien
1060 Wien, Gumpendorfer Straße 18
Tel: +43 1 587 50 52, Fax: +43 1 587 59 66
Email: office@knollgalerie.at
http://www.knollgalerie.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 14-18, Sa 13-15h


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