Curated by_ Adam Budak: Assistenten der Leere: Von lauernden leeren Räumen
Eine kritische Hinterfragung des Festivalthemas „Circulation“ von „curated by 2019“ ist in der Galerie nächst St. Stephan zu sehen. Der Kurator Adam Budak ist Direktor des Prager Nationalmuseums und versammelt hier sechs namhafte KünstlerInnen, um das Thema der „assistants of the void“ - „Assistenten der Leere“ zu interpretieren. Er behauptet mit den Werken von Toyen, Ahmed Morsi, Sophie Podolski, Katinka Bock, Flaka Haliti und June Crespo, dass Leben und Werk von Künstlern nicht der Methapher eines „panta rhei“ („alles fließt“) entsprechen müssen. Dinge bedingen einander nicht immer und setzen sich auch nicht automatisch fort. Hingegen argumentiert Budak mit der finalen Leere und den letzten leeren Zimmern, die uns erwarten. Damit nimmt er Anleihen bei Roberto Bolaños Roman „Die wilden Detektive“.
Wie ein roter Faden ziehen sich an den Wänden der Galerie Tintenzeichnungen, der belgischen Künstlerin Sophie Podolski durch die Ausstellung. Es handelt sich dabei um surrealistische Zeichnungen, die, mit Sätzen gepaart, ein dichtes figuratives „all over“ ergeben. Das Zusammenspiel von Zeichen und Schrift ist äußerst intensiv und lässt sich auch in hier gezeigten Gemälden beobachten. Podolski, 1953 als Kind russisch-ukrainischer Vorfahren in Uccle/Belgien geboren, die als Staatenlose lebten und vor der Oktoberrevolution in den Westen geflohen waren, begann schon als junges Mädchen zu zeichnen. 1973 veröffentlichte sie ihre inneren stürmischen Welten in einem Buch „Le plays où tout est permis“. Ihre schon früh diagnostizierten psychischen Störungen entwickelten sich zur Schizophrenie. 1974 beging sie einen Suizidversuch, da sie sich mit dem Erreichen der Volljährigkeit und der ungeklärten Staatszugehörigkeit vor juristischen Maßnahmen und um die Integrität ihrer Person fürchtete. Sie starb zehn Tage später. Ihr unglaubliches künstlerisches Talent ist hier in der Galerie nächst St. Stephan zu sehen. Die Verbindung von Traum, Erlebtem und Wahnsinn scheinen in den Zeichnungen an die Oberfläche gespült. Festgehalten ist der Moment, bevor Gedanken in unser Bewusstsein gelangen.
An den Grenzen des Bewusstseins, wenn auch mit anderen künstlerischen Mitteln, wandelt auch der Ägypter Ahmed Morsi in seinen Gemälden. 1930 in Alexandria geboren, später im Irak und Kairo lebend, seit 1974 in New York City, bemalt Morsi große Leinwände in gedeckten Farben mit übergroßen Figuren mit deformierten Köpfen, die oft von absurden Utensilien umgeben sind. Morsi, der auch als Kritiker und Autor arbeitete, ist der arabischen Welt bekannt und wurde sogar vom Kunstmuseum Sharjah angekauft. In New York ist er nicht teil der Kunstszene, arbeitet aber seit Jahrzehnten kontinuierlich an seinem Werk.
Seine surrealistischen Arbeiten korrespondieren mit dem Bild „Dream“ der tschechischen Künstlerin Toyen von 1937, das ebenfalls nächst St. Stephan zu sehen ist. Toyen, mit bürgerlichem Namen Marie Čerminová, die sich als Künstler kleidete und inszenierte, arbeitete zuerst mit kubistischen Versatzstücken und später in einer Art magischer Realismus. 1948 mit der Machtübernahme der Kommunisten und nach dem Zusammenbruch der Prager Kunstszene ging sie nach Paris, wo sie mit den Surrealisten verkehrte und in André Bretons Atelier arbeitete.
Zuletzt rücken noch die jüngeren Künstlerinnen dieser Ausstellung ins Blickfeld. Hier vor allem die Bildhauerin Katinka Bock, geboren 1976 in Frankfurt am Main, deren Interventionen im Raum farbliche, skulpturale und architektonische Akzente setzt.
Besonders amüsant ist ihr kurzer Videoloop in schwarz-weiß, der die Tücken der Handhabung einer Palatschinke mit Gegenständen und Gesicht vorführt. Wer hat noch nicht mit diesem Teig gerungen und wie sehr eignet sich dieses weiche Material zur Unterstreichung von alltäglichen Missgeschicken.
Beschließen lässt sich die Ausstellung mit dem im ersten Raum hängenden Vorhang der kosovarischen Künstlerin Flaka Haliti. Ein mit Farbe bedruckte Seidenvorhang „rinnt“ quasi von der Decke und trägt den humorvollen Titel: „Just Hanging Around #2“ (2017).
Dies ist unter anderem eine Aufforderung zum Lustwandeln und Verweilen in einer sehr gelungenen Ausstellung in der Galerie nächst St. Stephan.
13.09 - 25.10.2019
Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h