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TEFAF 2011: Alte Bekannte, traurige Trümmer, Millionen-Geschäfte

Die Tefaf in Maastricht hat etwas an Glanz eingebüßt, bleibt aber unangefochten die wichtigste Kunst- und Antiquitätenmesse der Welt Einer der wichtigsten Kunstmarkt-Experten warnte, vertraulich, den Berichterstatter: Wenn es ein Jahr gäbe, die Tefaf in Maastricht nicht zu besuchen, dann heuer. Wegen des schwächelnden Angebots und besonders der eher enttäuschenden Altmeister-Sektion. Er hatte Recht. Der Messebesuch machte aber dennoch Spaß, denn trotz einer etwas glanzarmen Perfomance der Offerte gab es zu Maastricht doch immer wieder wundervolle Objekte zu sehen, die man, ausreichend Vanille vorausgesetzt, gern nach Hause hätte tragen wollen. Die Messe, die heuer wieder knapp 70.000 Besucher anzog (der Katalog war am Samstag Abend ausverkauft), und die im kommenden Jahr ihr 25. Jubelfest feiern wird, muss sich etwas einfallen lassen – vor allem muss sie mit dem niederländischen Staat verhandeln, der es heuer fast geschafft hätte, dass die Messe nach Brüssel abwandert (was viele der Aussteller vor allem wegen der dort besseren Infrastruktur begrüßen würden). Was haben die Niederlande falsch gemacht? Sie haben die Mehrwertsteuer für Kunst auf 19 Prozent angehoben, was den Handel sehr verärgert hat. Man erwog in der Tat den Umzug nach Brüssel. Mit, wie man hörte, Zusagen, für 2012 die Lage zu verbessern, konnte das abgewendet werden. Vom Tisch geschafft hatte man Garantiehinterlegungen beim Zoll in Höhe des gesamten Warenwertes. Otto Naumann mit Rembrandt und Frans Hals hätte dann für 10 Tage 100 Millionen Dollar hinterlegen müssen. Wer kommt bloß auf solche depperten Ideen? Später wurden dann „Unzertrennlichkeitserklärungen“ in der Presse abgegeben. Man weiß allerdings, was man davon zu halten hat. Für 2012 könnte es sein, dass die Messe, wie es schon bei den Blumenmessen ist, zur Freihandelszone erklärt wird. Oder man adoptiert irgend ein anderes Modell. Oder man geht doch nach Brüssel… Der führende Altwaffenhändler Peter Finer zuckte die Achseln und meinte, man müsse sich halt an die Regeln halten und es träfe die Kollegen aus Nicht-EU-Ländern heftiger. Andere spuckten richtig Gift und Galle und hätten diverse Strategien auf Lager, um der wirtschaftsschädigenden Gier des Fiskus ein Schnippchen zu schlagen. Zurückhaltend elegant wie immer die Hallen, der Eingang heuer in mexikanischem Farbschema mit sattem Rot plus Rosa, ein wenig die Ergebnisse widerspiegelnd: Der eine oder andere Aussteller fährt mit roten Zahlen nach Hause, für andere ist alles in Rosa getaucht. Insgesamt, schleift man die permanenten Übertreibungen einmal etwas herunter, bleibt aber der Eindruck solider Geschäfte auf ziemlich breiter Basis. Wenn man, wie der Züricher David Koetser, eine Seelandschaft von Willem van de Velde (d. J.; 1633-1707) für drei Millionen Euro an einen Sammler verkaufen kann, dann ist Rosa durchaus die Farbe des Tages. Oder auch bei Senger aus Bamberg. Dort verkaufte man Lucas Cranach (d. Ä., 1472-1553), eine Madonna mit Kind und Johannesknaben, für 2,9 Millionen Euro. Das Bild war früher im Besitz des Großherzogs von Sachsen-Weimar-Eisenach. Die Provenienz allein war wohl schon eine Million wert… Der Eindruck wurde jedoch ein wenig getrübt durch eine Vielzahl „alter Bekannter“, also Werken, die man seit einiger Zeit kennt. French&Co. Aus NewYork waren da nicht die einzigen Dealer die Filetstücke mit Haut-goût im Angebot hatten. Bei Bildern kennt man das, aber diese Sitte hat sich nun auch auf die Objekte übertragen. Dass man nicht immer alles auf einer Messe verkauft, ist klar, und dass man Werke auf verschiedenen Messen anbietet ebenfalls, nur: die selben Sachen jahrelang hintereinander auf der gleichen Messe? Das macht sich nicht so gut. Und: Es gibt zu viele Altmeisterbilder der dritten und vierten Liga, oft etwas überrestauriert und man sieht zu viel Deko-Zeug. Wenn die Tefaf hier nicht aufpasst, kommt sie in unangenehme Nähe zur Aifaf in Palm Beach. Was auch nicht gerade als Glanzlicht gelten kann, ist, dass das Zulassungskomitee nichtssagende Fragmente zulässt, die man eher schon als traurige Trümmer bezeichnen muss. Das ist gehobener Flohmarkt. Und in diese Kategorie fallen auch allerlei Stände. Das hat zwar in Maastricht eine gewisse Tradition, ist in jetzigen Zeiten der Messe aber abträglich. Die sich akkumulierenden Probleme der Tefaf (die andere Messen genau so haben) müssen angegangen werden, und da ist 2012 als Jubeljahr eine willkommene Gelegenheit. Antiquitätenmessen müssen besser orchestriert werden. Die ganzen Gemischtwarenläden müssen verschwinden, es sei denn, es spielt sich auf einem Niveau ab wie bei Neuse (Bremen) oder Kugel (Paris). Aber Stände, die schon auf den ersten Blick verraten, dass da nur zusammengerafftes Zeugs steht, das nur gekauft wurde, um es gewinnbringend loszuschlagen, gleich, um was es sich handelt – die will man nirgends mehr sehen. In Maastricht schon mal gar nicht. Genug der Schelte, her mit dem Lob. Zum Beispiel für die Kunstkammer Georg Laue (München), die stets für Überraschungen gut ist. Heuer hatte Laue eine herzige Walnuss dabei, reliefiert, mit Goldverschlussring und passendem Beutel (fünfstelliger Preis). Innen ein Duftschwämmchen (also eine Art Pomander), in der anderen Nusshälfte Krebsaugen (Magensteine von Krebsen) als Apotropäen (Geisterabwehrinstrumente). Laue zum artmagazine.cc: „Es lief sehr gut. Wir sind sehr zufrieden. Für ausgesuchte Objekte ist der Markt gut. Es sind viele amerikanische Sammler gekommen, die auch gekauft haben.“ Lob auch für die Galerie Sanct Lucas (Wien), die ein ganz besonderes Werk anbot: Jean-Baptiste Pillements (1728-1808) „Zweig mit Fantasieblüten“, eine sehr lebendige Studie für die Lyoner Seidenmanufaktur (78,5x63 cm). Richard Redding (Zürich) konnte das großartige Krönungsbild von Napoleon Bonaparte von Anne-Luis Girodet-Trioson verkaufen (um mehr als 150.000 Euro). Das Krönungsbild? 26 Stück (!) hatte Napsi bestellt, 13 wurden ausgeliefert, dann war der napoleonische Spuk vorbei. Lob natürlich, gar kübelweise, für Heribert Tenschert und Jörn Günther, die beiden führenden Händler für Wiegendrucke und illuminierte Handschriften. Bei Tenschert war ein Schmankerl das Stundenbuch der Jacquette de la Barre (Paris, ca. 1405/08) mit 13 Illuminationen des Mazarine-Meisters. Preis: 950.000 Euro. Tenschert bezeichnete seinen Erfolg als „exzellent.“ Jörn Günther zeigte die erste deutsche Ausgabe der Schedelschen Weltchronik (originalkoloriert; Nürnberg 1493) und die „Legende Dorée“ des Jacobus de Voragine, Paris 1375 aus dem Besitz des bellikosen Louis II d’Anjou. Gut ging es auch bei den Antiken. Jerome Eisenberg von Royal Athena, New York, meinte: „Es ist sogar besser gelaufen als im vergangenen Jahr.“ Er verkaufte mehr als ein Dutzend Werke, darunter einen polychromen Terrakotta-Triton von einem unbekannten Meister aus der Renaissance (das Stück galt früher als römisch) um 325.000 Dollar. „Tribal Art“ war gut vertreten, etwa mit Bernard de Grunne (Brüssel) und Stelen aus dem Süd-Sudan, die nicht so häufig angeboten werden. Asiatika ebenfalls: Vanderven&Vanderven (’s Hertogenbosch) hatten sogar einen 180 cm hohen Lokapala (7.-10. Jh.) aus China – ebenso beeindruckend wie die beiden anonymen, überlebensgroßen venezianischen Mohren (1700) bei Neuse (Bremen; um 2,4 Millionen Euro). Die Design-Abteilung der Tefaf ist immer noch zu klein. So grauslich man auch manches finden mag, es gibt ja durchaus Sammler dafür. Und die finden ein etwas schmales Angebot vor. Ulrich Fiedler (Berlin) gehört zu den wichtigen Design-Ausstellern, war hoch zufrieden und hatte zum Beispiel einen shabby-chic-Vorläufermöbel, ein weiß gestrichenes Kastl von Henry van de Velde, der um 50.000 Euro einen Liebhaber gefunden hat. Star der Abteilung war ohne Zweifel Wolfgang Bauer mit seiner Bel Etage (Wien), der Otto Wagners private Möbel anbieten konnte und weitere beste Stücke von Josef Hoffman usw. Aus seinem Tefaf-Katalog waren 12 von 27 Werken verkauft. Prachtvoll: Der Lüster von Leopold Bauer (1902), um 90.000 Euro. Die Moderne, bis hin zu ausgesucht Zeitgenössischem, ist mit der Zeit auf der Tefaf immer wichtiger geworden. Hammer (New York) zeigte eine Renoir-Schau, die zuvor schon auf der Aifaf in Palm Beach und auf der neuen Messe in Naples (Fl.) zu sehen gewesen war, Krugier (Genf) hatte, natürlich, Picassos (späte 60er und aus den 70ern), eine dunklen, beeindruckenden, reliefartigen Dubuffet („Der Erd-Wahrsager“/„Le Géomancien“) vom September 1952, einen großen Basquiat und so fort: Gewohntes Programm, Qualität 1a. Ebenso Thomas (München), die ein Pferd, ca. 40 cm hoch, von Marino Marini um 170.000 Euro verkauften, und voll des Lobes für die Sammler waren: “Bei solch einem Publikum kann man nur zufrieden sein!“ Robert Bowman ist Skulpturenspezialist und bot unter anderem Rodins „Denker“ (Rudier-Guss von 1925, 37 cm hoch) um 950.000 Euro an. Auch bei Delaive (Amsterdam) ein temporäres Museum der Moderne mit Arman und Niki de Saint Phalle und und und – und auch Yves Klein, dessen YKB-blaue Venus von 1962 (300er Auflage, 68 cm hoch) die Besucher auf den Stand lockte. Die „Papier“-Sektion der Tefaf wird von vielen Ausstellern als zu klein empfunden und die Unterbringung im 1. Stock macht auch nicht jeden glücklich. Man wünscht sich eine Sektion unten in der Haupthalle, mit allen Papieranbietern vereint. Es fanden aber dennoch ausreichend Sammler den Weg über die farblich neu gestaltete Treppe nach oben, etwa zu Wienerroither & Kohlbacher (Wien), die eine museale Schau mit Zeichnungen von Schiele und Klimt und Aquarellen von Nolde auf die Beine gestellt hatten. Mit Erfolg: Unter anderem verkauften sie eine kapitale Schiele-Zeichnung um 500.000 Euro. Schönewald Düsseldorf) bot außer Baselitz, Judd und Twombly ganz kleine Skulpturen (ca. 15 cm hoch, unter Glashaube) von John Chamberlain. Die traditionellen Schoko-Küsse gab’s bei Kicken Berlin, die sich darüber freuten, dass sie innert dreier Jahre volle Akzeptanz erreichen konnte. Das fotografische Programm umfasste die bekannten Klassiker des Hauses, ein Sahnehäubchen war ein seltenes „Rayogramm“ von Man Ray aus dem Jahre 1926. Und die autobiografische Collage von Hannah Höch von 1973, „Lebensbild“ (130x150 cm; 760.000 Euro). Star bei den Vintage-Fotos war wieder H. P. Kraus aus New York, der unter anderem zwei (hinterleuchtete) Salzpapiernegative ausstellte, eines von Louis-Rémy Robert: „Le Grand Jet“, 1852, eine großartig komponierte Aufnahme. Superstar: Das kleine (ca. 9x9 cm) „Compound Leaf“ um 40.000 Euro von Henry Fox Talbot. Zeitgenössisch wurde es zum Beispiel bei Haunch of Venison mit Joana Vasconcelos, für deren Arbeiten sich mehr als ein halbes Dutzend Käufer fanden (Preise im Bereich von 40.000 Euro). Der „ZERO“-Mitbegründer Heinz Mack, der am 8. März 80 Jahre alt wurde und der derzeit in mehreren Ausstellungen in Deutschland gefeiert wird (Bonn, Bielefeld, Düsseldorf), war auch bei Sperone Westwater (New York) vertreten, unter anderem mit einem Silber-Rotor von 1960. Ein Knüller: das 17. Art Car der Bayrischen Motorenwerke, gestaltet von Jeff Koons in buntem Streifenmuster. Gute Fahrt, Maastricht!
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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TEFAF 2011
18 - 27.03.2011

MECC (Maastricht Exhibition & Congress Centre)
6229 Maastricht, MECC (Maastricht Exhibition & Congress Centre), Forum 100
Tel: +31 43 383 86 66 , Fax: +31 43 383 88 08
Email: info@tefaf.com
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