Werbung
,

Juozas Laivys - 1409 m: Heitere Quellen

Viele Wiener granteln huldreich über die anderen Wiener, die soviel granteln; aber kaum ein Wiener rühmt nicht die Qualität des Hochquellwassers, das aus den Wasserhähnen der Stadt strömt und auf seinem Weg nebenbei 65 Millionen Kilowattstunden Energie erzeugen soll, genug Strom für eine Kleinstadt. Nummer 6 des konkret poetischen Beizettels der gerade im Coco am Bauernmarkt eröffneten Ausstellung des litauischen Künstlers Jouzas Laivys heißt “Pinguin in Wiener Wasser“ – in der global verständlichen Variante ist das „Wiener“ mit „local“ ersetzt, deswegen dürfen wir das mit dem Wiener Wasser ungetrübt ernstnehmen. Der Pinguin ist grau, aus Porzellan, hat keinen schwarzen Frack, aber einen goldenen Schnabel. Er schaut unter Kniehöhe in einem Blecheimer auf einem Spiegel aufgestellt zwischen niedlich und eh lieb nach oben, eine kaum handgroße Figur, die aber durch den Spiegel verlängert wird. Das Wiener Wasser steht dem Porzellantier bis zum Hals, es scheint sich wohlzufühlen, und das Wasser ist über dem Spiegel ganz schön unsichtbar. Weitere Unsichtbarkeiten lassen sich finden – etwa bei Nummer 16, aufgeführt als „Malerei von Valdas Simutis, hinter der ein Buch mit Pilzrezepten versteckt ist“. Das Bild, an seiner linken Rahmenseite an der Wand befestigt, ragt in generös abstrakt-minimalistischer Art in den Raum. Es zeigt vorne einen Mann in grünem Licht mit einem Korb von Pilzen, er trägt praktische Stiefel und eine Schirmmütze und blickt bewundernd auf einen Pilz in seiner Hand. Die Malerei ist von Kubismus und anderen beinhart avantgardistischen Neuerungen unbefleckt, aber die Pilze haben alle Rottöne absorbiert und man möchte wirklich gern wissen, welche Rezepte das ermöglichen konnten – aber sie und das sie enthaltende Buch sind versteckt, also unsichtbar. Ein bisschen erhöht hängt daneben Nummer 15, „Eine schlechte Arbeit“. Eine Holzscheibe ist bestückt mit kleineren Hornscheibletten – man könnte auch sagen Geweihwürstchen – und einem geweihartig verzweigten längeren Ast in seiner Mitte. Es ist kein Hirschgeweih und es ist kein Obelisk. Es ist „eine schlechte Arbeit“, über deren holzig phallomorphen Humor man sich schön wundern kann. Dreimal vertreten sind „Lauernde Maulwurfsscheuchen“, die aus drei großen Plastikflaschen bestehen, deren gelbe Verschlüsse schlichten Holzständern aufgehalst sind und in die Fenster hineingeschnitten wurden. Duchamp hätte sich gefreut, die Maulwürfe freuen sich sicherlich auch – die Vorrichtungen taugen enorm zu einem Maulwurfssonnenstudio. Insgesamt 23 Nummern umfasst die Ausstellungsliste, darunter sind vier Kollaborationsprodukte. Zwei davon waren Performances am Eröffnungsabend – ein Luftaustausch, performed von Reda Aurylaité und im zweiten Raum installiert, und einen Münzensammler in der Sammlung, performt von Gytis Daukas. Der Luxus der öffentlichen Wasserversorgung dauert gemessen am Alter der Stadt recht kurz. Das Wiener Wasser ist köstlich. In Caféhäusern wird es von freundlichen Obern (meist) kostenfrei ausgeschenkt. Es ist ein Luxus, lächelnd an Dinge denken zu können, die einem in luxuriöser Gelassenheit eigentlich täglich begegnen.
Mehr Texte von Gesche Heumann

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Juozas Laivys - 1409 m
18.03 - 17.04.2011

COCO (Contemporary Concerns)
1010 Wien, Bauernmarkt 9 (Passage)
Email: coco@co-co.at
http://www.co-co.at/
Öffnungszeiten: Ausstellung: Donnerstag – Samstag 16 – 20 Uhr
Bar: Freitag 20 – 2 Uhr


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: