Werbung
,

Kunst für Meta-Epochen

Die Satellitenmessen zur Armory 2011 boten ein buntes Bild mit Überraschungen Dass die Geisterdiskussion um das Fehlen einer führenden Messe in NY ein sakrischer Pallawatsch war (siehe Geiserdiskussion auf hohem Niveau“ im artmagazine.cc) wurde durch die Satelliten-Messen eindrucksvoll belegt. Volta, Pulse, Scope und Fountain (es gab noch ein paar mehr, wie Independent oder auch Verge) sind allesamt – Fountain spielt jedoch in einer eigenen Liga – honorige Veranstaltungen, und durchaus gute Messen (bei Volta mit Abstrichen), aber an die Armory Show reicht keine auch nur annähernd heran. Und das will auch keine. Im Organisationsbüro der Armory Show wird man sich vielleicht fragen, ob da eine Verschwörung im Gange ist: Erst versucht das „Art Newspaper“ die Messe herunter zu ziehen und ihren Satelliten gleich zu stellen, und dann schlägt das Internet-Portal „Artinfo“ in die gleiche Kerbe und wirft der Messe vor, sie hätte die Teilnahme quasi verkauft und zu viele Aussteller mit zu kleinen Kojen gehabt. Wo, parbleu, bleibt da das Urteilsvermögen? Ach ja: Auf der Strecke. Zur Armory schlug das Wetter in New York Kapriolen, und der Weg von Messe zu Messe machte daher unterschiedlich viel Spass. So wie die Messen selbst. Beginnen wir mit der Volta am Empire State, 7 West 34th zwischen 5th und 6th Ave, oben im 11. Stock. Eine Solo-Show-Einladungsmesse. Gut besucht, aber sehr uneinheitlich. Die besten 15 Prozent könnte man in die Armory packen, sie hätten dort ihre Berechtigung. Über den großen Rest sollte man eher den Mantel der christlichen Nächstenlieben breiten, sagte ein Aussteller. Es gäbe hier halt fürchterlich viele bunte Bildchen, die für ein unerfahrenes und beratungsresistentes Publikum genau richtig seien. Was fiel positiv auf, auf der Volta? Jarmuschek& Partner aus Berlin zum Beispiel. Eine chinesische Weisheit besagt, dass elend der Schüler sei, der seinen Meister nicht überträfe. In der Tat kann so die Ikemura-Schülerin Sabine Banovic bei Jarmuschek sich im Glanze des künstlerischen Erfolges sonnen. Ihre schwarzweißen Bilder zwischen autonomer Linie und versteckter Figuration sind ein Lichtblick. Noch einer, und noch mal Berlin: Evol bei Galerie Wilde. Der Stand war so gut wie ausverkauft. Evols Stadtlandschaften auf Pappkistenseiten sind überraschend: urban und zeitgenössisch, und doch mit Reverenz an die Tradition. Christa Schuebbe aus Düsseldorf zeigte erfolgreich Neues von Christian Schoeler, der etwas puffig im Duktus geworden ist, in guten Momenten aber klassische Qualität erreicht. Bei der Parisian Laundry aus Montréal (Kanada) fiel immer wieder ein daher zerbeultes Bild von der Wand. Nicht ganz ungefährlich, was aber bei der Vorliebe für wuchtig-chaotische Installationen von „BGL“ nachvollziehbar ist. Ansonsten: Auch hier Zusammengenähtes aus Dollars und anderen Dingen, Waffen (nur auf der Volta auffällig) und viele Flaggen. Sehr viel besser dagegen Pulse und Scope. Die Pulse ist in ein neues Quartier in Chelsea gezogen (Metropolitan Pavilion, 125 W 18th Street, zwischen 6th und 7th Ave), das Einiges hermacht. Hier war es genau umgekehrt wie auf der Volta: 85 Prozent hätten auch in die Armory gepasst, nur 15 Prozent eher nicht. Thomas von Lintel mit neuen Arbeiten von Joseph Stashkevetch („läuft gut“), Amadors das Lied der Erde singenden Figurinen bei Maior (Pollensa und Palma de Mallorca), Catherine Bolduc bei der Galerie SAS (Montréal) – da kommt Freude auf. Und das honorierten die Besucher auch mit Käufen. So sagte Mark Moore aus Culver City, CA zum artmagazine.cc: „A phantastic fair. We are doing good to excellent.“ Auf der Pulse (mit der schon Tradition gewordenen cutting-edge-Sektion „Impulse“) gibt es auch „lowbrow“ oder „poetic surrealism“ zu sehen, so etwa von Luis Lorenzana bei Silverlens aus Manila (Philippinen). Und schon große Namen wie etwa Jasper de Beijer bei TZR Kai Brückner (Düsseldorf). De Beijer schafft große Endzeitvisionen und solche in nuce, ganz aufs Individuum bezogen, in decollagehaft organisierten Bildern. Für die nächste Art Amsterdam soll der das Einladungsmotiv geschaffen haben, wie es bei der Galerie hieß – mit dem Porträt eines kunstfeindlichen Politikers. Kleindienst (Leipzig) brachte Neue Leipziger Schule mit, unter anderem Rosa Loy. Rosa Loy malt wie Neo Rauch. Oder malt Neo Rauch wie Rosa Loy? Immerhin: sie ist nicht nur Künstlerin, sondern auch seine Ehefrau. Cherchez la femme? Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine inspirierende Frau? Wie auch immer … Sehr expressiv geht es bei Stefan Röpke (Köln) zu, der unter anderem die Collagen mit Acryl Spiegelscherben und Plexiglas von Jason Gringler zeigte. Gringler bevorzugt sich kreuzende Bildstrukturanlagen, was dynamisch wirkt. Der junge Künstler aus Brooklyn ist immer der Aufmerksamkeit wert. So wie die Pulse selbst. Man freut sich schon auf die nächste Pulse . Das wird eine Premiere sein: Im September wird sie erstmalig in Los Angeles stattfinden. Die Scope gilt Vielen als „Fahrstuhlmesse“, also eine Angelegenheit mit stark schwankender Qualität, zwischen Staatsaffaire und Gloderwerch. Das kann man halten wie ein Dachdecker (stimmt oder auch nicht), der Eindruck des Rezensenten ist, dass die Scope sich in den vergangenen vier Jahren stabilisiert hat und höchst aufmerksamkeitsstarke Angebote macht. In der Tat war die Scope New York 2011 (320 West Street gegenüber Pier 40, da wo im Jahr zuvor die Pulse stattgefunden hatte) eine Messe mit deutlichem Charakter. Auch die Mehrzahl der Scope-Aussteller hätte auf die Armory gepasst. Die Scope zeigte recht viel „lowbrow“-Kunst, fast beinah schon wie die „Blooom“ in Köln, aber, mehr als überall anders, fand man hier neue Kunst, die existierende (auch „alte“) Kunst zitierte, neu interpretierte, umgestaltete. Das ist eine deutliche Reflexion der Künstler auf unsere alles verwurstende, transmediale Gesellschaft. Eine Fotoserie, mit klaren, stillen, sachlichen Aufnahmen, von Reinhard Görner (Berlin) befasst sich mit dem Bode-Museum in Berlin (6.500 Dollar bei Hamburg Kennedy Photographs, New York). Und bei Besharat (Atlanta, GA) beeindruckten die monumentalen „Hyperphotos“ von Lluis Barba, so wie „El triunfo de la muerte“ nach Brueghel (290x400 cm, 58.000 Dollar). Und noch mal Fotografisches: Bei von Braunbehrens (München) die Leuchtkästen von Marck (absoluter Verkaufsrenner um 48.000 Dollar das Stück), in denen schwimmende Frauen immer irgendwelchen Misslichkeiten ausgesetzt sind. Natürlich gab es auch Kunst ohne Foto-Anteil. Etwa Federico Uribe bei Now Contemporary Art (Miami), der aus technischen Alltagsgegenständen Bildobjekte schafft, die alte ikonographische Traditionen neu beleben. Realität als Kunst ist noch immer nicht überwunden, unter anderem ein Fluch von Joseph Beuys: Bei der English Kills Art Gallery aus Brooklyn zeigte Abdrew Ohsanesian einen begehbaren Kühlschrank mit Getränken („Montana“, 2010). Nebbich. Joel Grossman gehört zu den Zitatmixern: Eine Dalí-Adaptation zierte den Stand der Galería Christopher Paschall s. XXI aus Bogotà (Kolumbien). Meta-Kunst für eine Meta-Epoche. Mit gar überhaupt keiner anderen Messe vergleichbar ist die Fountain am Pier 66. Eine wüste, tolle, unglaubliche Underground-Angelegenheit, ohne Hosenträger und Sichtschutz. Wer das für schlecht hält, legt falsche Maßstäbe an. Die Fountain ist einfach. Mögen muss man es ja nicht. Kann man aber … Auch heuer war Greg Haberny wieder der Superstar (nicht in Zusammenarbeit mit einer Galerie). Seine vulkanische Bilderexplosion ist immer einen Besuch wert. Er wird übrigens in Kürze (April) in Yasha Youngs Strychnin Gallery in Berlin aktiv sein. Eines seiner Bilder nimmt auf die Weltwirtschaftsmacht China Bezug: Es zeigt die Aufschrift einer Transportkiste. Inhalt: 3500 Sternenbanner aus Polyester, Made in China. Die wohl größte Entdeckung in diesem Jahr in New York konnte man ebenfalls auf der Fountain machen: Sie heißt Sarah Trouche, ist eine junge französische Künstlerin und stellte mit dem Grace Exhibition Space (Jill McDermid und Erik Hokanson, Brooklyn) aus. Sarah Trouche macht weltweit Performances, davon gibt es ein oder zwei Motive in 5er Auflage. Die Performances beinhalten stets sie selbst, nackt wie Gott sie schuf mit diversen Acessoires, und die Fotos sind völlig unvoyeuristisch. Manchmal geht das nicht ohne Probleme über die Weltbühne: In China posierte sie, mit bemaltem Körper, auf einem Dach (als eine der Töchter des Drachens, die in der traditionellen Architektur die Dächer bewachen), was ihr ein paar Stunden in Polizeigewahrsam einbrachte. Sarah Trouche – ein Name zum Merken.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: