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Museen müssen rotieren

Die österreichische Kulturszene spielt gerade Weltpolitik als Posse nach: Zur gleichen Zeit da in Nordafrika reihenweise Uralt-Diktatoren abgesetzt werden, musste auch Wiens dienstältester Museumsdirektor, Peter Noever, seinen Hut nehmen. Die Parallelen: Hier wie dort mutierten einst mutige und visionsstarke Personen (Mubarak, Noever und Al-Gaddafi) , die am Anfang ihrer Amtszeit Hoffnungsträger waren, nach Jahrzehnten zu saturierten, die schiere Macht und ihre eigenen Phrasen umklammernden Autokraten. Der Unterschied: Nach ihrem Abgang fühlt sich das Volk in Nordafrika befreit, in Wien dagegen fürchtet man sich, dass nichts Besseres nachkommt. Besonders die weinerliche Unterstützungs-Homepage „Pro Peter Noever“ wirft ein trauriges Licht auf das Moral- und Selbstbewusstsein der hiesigen Kulturproduzenten. Wie kann es sein, dass reihenweise ein die aufgedeckten Verfehlungen ignorierendes Statement unterschrieben wird, dessen zentraler Satz „Das lokale Mittelmaß darf nicht dominieren!“ lautet? Erklärt sich das aus der Tradition barocker Gegenaufklärung? Wer soll mit dem „lokalen Mittelmaß“ gemeint sein: Die hauseigenen Kustoden, die unter Noever nie ihr Können entfalten durften? Die hiesigen Kunstschaffenden, die jetzt ohne Kanzelpredigten über das richtige Avantgarde-Bewußtsein verkümmern könnten? Das Kuratorium des Museums, das das selbstherrliche Treiben nicht mehr tolerieren wollte? Oder sind solche Sätze lediglich eine letzte Verneigung vor dem Radical-Chic-Jargon der letzten Jahre? Intelligent, integer oder konstruktiv ist solch eine Haltung so oder so nicht. Mich erinnert der Parteinahme-Pathos an die bald zwei Jahrzehnte zurückliegenden Diskussionen um den einst geplanten „Leseturm“ im MuseumsQuartier Wien: Man spricht nicht über Inhalte oder Fakten, sondern nimmt reflexartig Position in einem imaginierten Kulturkampf ein. Am meisten Wahrheit liegt zwischen den Fronten: Man kann sowohl Noevers herausragende Museumsarbeit seiner Anfangsjahre würdigen, als auch sich freuen, dass einer sich ausbreitenden Unkultur endlich Einhalt geboten wurde, ja sogar seinen persönlichen Respekt darüber äußern, dass Noever von sich aus zurückgetreten ist. Tragisch ist dabei höchstens die drastisch sichtbar gewordene Selbstbeschädigung eines Talents. Und traurig, dass Hybris und Fall zum Teil strukturell bedingt sind: Selbst die fähigsten Manager merken oft nicht, wann es Zeit für sie ist zu wechseln. Wenn dann keine funktionierenden Mechanismen von außen greifen, kann es, wie man gesehen hat, fatal werden. Matthias Dusini hat in einem Kommentar in der Zeitschrift Falter jüngst angemerkt, dass Noever schon vor zehn Jahren hätte gehen sollen. Genau das scheint der entscheidende Punkt zu sein: Hätte er vor zehn Jahren (oder schon vor 15 Jahren) die Leitung einer Kunsthalle oder eines Museums für zeitgenössische Kunst übernommen, wäre er wahrscheinlich der schneidige Held von einst geblieben; er hätte seine visionäre Kraft weiterhin sinnvoll einsetzen können und seine große Liebe zur bildenden Kunst wäre institutionell am richtigen Platz gewesen. Stattdessen blieb er sitzen, ignorierte das nominelle Profil des Hauses und verwechselte das MAK mehr und mehr mit einem Fürstentum. Was aus der Sache zu lernen ist? Das Museumswesen braucht Rotation! Die Amtszeit eines Direktors/einer Direktorin sollte nicht länger als zehn Jahre dauern dürfen. Mancher / manche Leiter / -in wird alles, was er oder sie vermag, vielleicht auch schon nach fünf Jahren bewirkt haben. Um dann nicht in langweilige Routine oder leeren Pathos zu verfallen, sollte man „kompromisslos“ zur nächsten Aufgabe ziehen. Auch die einzelnen Häuser sollten demnach weniger als „Gefechtstürme“ oder persönliche Bastionen imaginiert werden, sondern als mit der Gesellschaft vielfältig verbundene Räderwerke. Das Vorbild für solch ein Wechselsystem könnte der Theaterbereich sein. Dort tauschen nicht nur die Schauspieler, sondern auch die Intendanten und Dramaturgen regelmäßig ihre Wirkungsstätte. Sie haben damit immer wieder die Chance auf einen Neubeginn und dem Publikum werden dadurch immer wieder neue Sichtweisen auf die Welt geboten. Die gleichen Motive sind auch für Museen relevant: Auch im Museum muss ja der Sammlungsbestand immer wieder durch einen frischen Zugriff neu ins Leben geholt werden. Sonst werden die Dinge und ihre Zusammenhänge für uns schnell unsichtbar und man sieht nur mehr das Aufsichtspersonal.
Mehr Texte von Vitus Weh

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Ihre Meinung

4 Postings in diesem Forum
sitzenbleiber vs streikkultur
bitteichweisswas | 07.03.2011 09:57 | antworten
nachdem es in ö keine wirklich ausgeprägte Streikkultur gibt bzw. dieses Fehlen ein "Sitzenbleiben" erst ermöglicht, werden selbstherrliche Autokraten (Gerald Matt) weiterhin nach Belieben routiniert ihren Platz behaupten.
Schlag nach bei Popper
thurnhofer.cc | 08.03.2011 09:55 | antworten
Ob Noever oder Gadaffi - es geht nicht darum, wer regiert, sondern ob die Kontroll-Instanzen funktionieren. Schlag nach bei Sir Karl Popper! Schade nur, dass die Kontrollinstanzen - einschließlich Medien - immer erst wach werden und hinschauen, wenn das Fass schon übergelaufen ist. Als ich Herrn Noever vor 10 Jahren ein PPP-Projekt angeboten habe, weil der Direktor angeblich kein Geld mehr hatte, um neue Ausstellungen zu organisieren, da hat das natürlich kein Schwein interessiert. Schlag nach unter: http://pressetext.com/news/010206005/
Bedenklich
Nadir Gottberg | 09.03.2011 06:52 | antworten
P. Noever mit Gaddafi und Co. zu vergleichen, man müsste nachdenken ob diese Beitrag gegen geltendes Recht verstoßt oder mindestens grob unsachlich und bedenklich ist.(Anfang von den Artikel) Hass Predig und Hetze
einstige Hoffnungsträger
Vitus weh | 11.03.2011 01:02 | antworten
Der Vergleich bezieht sich auf den hoffnungsvollen Anfang der genannten Personen, nicht auf ihre unterschiedlichen späteren Lebenswege. Meine Absicht war, institutionelle Effekten zu beschreiben. Peter Noever ist für mich eine überaus respektable Person. Seine historischen Leistungen sind unbestritten. Ich sehe keinen Grund für Hass oder sonstigen Gefühlsüberschwang.

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