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ART HK - Hong Kong International Art Fair: KEINEN MAO, BITTE

Ja, die Ausstellerliste ist beeindruckend. Die Blue-Chip-Galerien (wie White Cube, Gagosian, Pace zum Beispiel) waren da, 40 Prozent mehr Teilnehmer gab es als 2010, 260 Galerien aus 38 Ländern stellten aus – und in Folge dessen gab es einen Besucherrekord: 63.500 Menschen zog die Messe an. Das sind Baseler Dimensionen, und, wie gemeldet, hat ja die Art Basel die Art Hongkong gekauft. Und gleich den Termin in den Feber verlegt, denn man will sich ja vier Wochen vor der Art Basel zu Basel nicht selbst Konkurrenz machen. Wollte – denn nun ist der Termin doch auf den 17.-20. Mai „Zurückverlegt“ worden – zu viele Aussteller hatten protestiert, wegen der Nähe zum chinesischen Neujahr. Es bleibt aber das Ziel, längerfristig einen Frühjahrstermin zu finden. So wird dann die Art Basel mittelfristig das Kunstjahr dominieren: Feber Hongkong, Juni Basel, Dezember Miami Beach. Aber die Messeleitung wird sich intensiv Gedanken machen müssen, wie das alles gestaltet werden soll, denn einen internationalen Kunst-Einheitsbrei wünscht sich niemand. Das war auch zu hören. Hongkong muss einen starken asiatischen Akzent haben, sonst wird das alles nichts. Und für einen besser aufgestellten Auswahlausschuss als den für die heurige Basel-Schau muss auch gesorgt werden. Es darf nicht passieren, dass man da, wie man in China so schön sagt, die Opferkelche für die Bratpfannen verlässt (yuè zû dài páo), will sagen: Dinge treibt, die einem nicht zustehen. Und, bitte: Keine Berliner Galerie, die auf der Art Basel ausgestellt hat, ins Komitee. Die Messe hat heuer mit der Sektion „Asia One“ schon einen asiatischen Akzent gesetzt. Das muss auch erhalten bleiben. Und in der Haupt- und Staatsabteilung, da darf die schon in den Kojen diskutierte strengere Handhabung der Zulassung nicht zu Lasten der asiatischen Galerien gehen. Zu viel Westen ist in Asien ungesund. So wie die Kolonialherren-Attitüde, die mancher Aussteller an den Tag legte, was anderen westlichen Kollegen Bauchschmerzen bereitete. Schwacher Trost, dass die Arroganzler schlechte Geschäfte machten. Meinte ein gut beleumundeter internationaler Händler: „Wer hier glaubt, mit einem Mao-Porträt und einem Bild mit falsch geschriebenen chinesischen Zeichen zu punkten, der irrt sich.“ In der Tat: Die Honkis haben’s nicht so mit Mao. Überhaupt, das Geschäft. Im vergangenen Jahr machten einige Händler über das flaue Geschäft böse Bemerkungen. Heuer auch, aber nicht mehr so öffentlich. Aber der Sektkorkenknall war ein eher selten gehörtes Geräusch auf der Messe. Es gilt auch in Hongkong, die Gauss’sche Normalverteilung. Beim Gros geht’s halt so-so, einige schieben ’ne Nullnummer, anderen geht es prächtig. So etwa in der frischen, lebendigen, höchst aufschlussreichen „Art Future“ Sektion mit Einzelpräsentationen, wo Peter Wilde (Wilde Gallery, Berlin) bis auf zwei kleine Bilder seinen Stand ausverkaufen konnte. Sein neuer Komet war der junge Spanier Antonio Santín (32 Jahre, lebt seit fünf Jahren in Berlin), dessen Großformate, etwa von von Orientteppichen komplett zugedeckten Frauen, die iberischen Besucher und Galeristen (und andere natürlich ebenso) in Scharen anlockten (34.000 Dollar). Gut lief es auch bei „mother’s tankstation“ aus Dublin (Irland), wo Atsushi Kaga die Soloshow bestritt. Der Japaner hat in Dublin Kunst studiert, und seine Kleinplastiken, wie etwa die Brezel-Band, deren Musikern Backwaren aus dem Kopf wachsen, begeisterten die Besucher (Kleinplastiken und Kleinformate 1.500 Euro, größere Bilder 20.000 Euro). Charim/Ungar (Berlin) mit Charim (Wien) punkteten mit den urbanen Tragödien von Daniel Pitin (ausgebildet als Architekt; um 15.000 Euro). Auffällig in der „Asia One“-Abteilung war, unter anderem, die Primo Marella Gallery (Beijing/Milano), die Skulpturen aus der „Greyness“-Serie von Ronald Ventura vorstellte. Die kleinformatigen, rund 45 cm hohen Figuren sind typisch für viele Kunst unserer Zeit, indem sie ein Moment der Niedlichkeit mit einem Schuss Horror verbinden. Alexander Ochs (Berlin/Beijing) war mit den mit Tusche auf Seide gemalten, architektonisch minuziösen „Berlin Scrolls“ (Ansichten der Karl-Marx-Alle) von Lu Hao dabei, die Artmia Gallery aus Beijing hatte mit Song Yige (sie ist 30 Jahre alt) ein Super-Talent: Ihre Gemälde mit sparsamen, melancholisch-poetisch verdichteten Alltagsmomenten, die das Gewöhnliche durch Fokussierung ungewöhnlich machen, werden noch mehr Aufsehen erregen. So wie wohl die großen Holzschnitte aus dem unbekannten Leben der Fantasie-Ozeane („Oceanic Wilderness“, um 8.200 Dollar) von Kriangkrai Konghanun bei der Number 1 Gallery aus Bangkok. In der Hauptsektion (im Erdgeschoss) mischten sich Großgalerien aus dem Westen wie dem Osten mit beachtlichen kleineren und Programmgalerien. Wenn hier für die nächste Ausgabe der Messe „aufgeräumt“ werden soll, müsste es aber eher die westlichen Langweiler treffen. Die Galerie Gmurzynska (Zug, Zürich, St. Moritz) bot, auf ihrer Hongkong-Premiere, atemberaubend, ein Bild von Miró („Peinture“) an, um 5,6 Millionen Dollar. Es gab Wilfredo Lam, Chagall, Robert Indiana, Tom Wesselmann, David Smith (eine farbig gefasste Skulptur von 1961), und man verkaufte, unter anderem, sechs Arbeiten von Scott Campbell um 20.000 Dollar das Stück. Sagte Galerist Mathias Rastorfer zum artmagazine.cc: „Es ist sehr viel besser gelaufen als erwartet. Vor allem haben wir neue Kunden gefunden, überwiegend aus China und anderen asiatischen Ländern.“ Hoch zufrieden auch Marianne Boiesky aus New York. Sie trennte sich vom Großteil ihrer Koje, unter anderem verkaufte sie mehrere Gemälde aus der roten, gestischen Serie „Floods“ von Barnaby Furnas (Jahrgang 1973; je um 125.000 Dollar). Urs Meile (Luzern, Beijing) hat von Christa Schuebbe (Düsseldorf) den duftigen, dezenten Erotiker Christian Schoeler übernommen (Schuebbe Projects zeigte ihn ebenfalls). Thaddaeus Ropac (Salzburg, Paris) machte Eindruck mit Cragg, Balkenhol und Baselitz, und Krinzinger (Wien) brillierte mit Gavin Turk. Der großartige Konzeptualist von den britischen Inseln hatte 100 Tonbüsten von seinem Kopf machen lassen. Diese, feucht gehalten und somit weich, durften Ausstellungsbesucher umformen, und das Ergebnis waren fast ausnahmslos F.-X.-Messerschmidt-Varianten. Das zeigt auch Messerschmidts Aktualität. Die Köpfe wurden nicht gebrannt, sondern mit Schellack konserviert. Sie stehen, ganz Tradition, auf einer Plinthe mit einem Namensschild. Die Namen sind aus den Buchstaben von Gavin Turks Namen neu kombiniert (hier etwa „Vakir Gunt“). Verkauft um 38.000 Euro wurde eine Tisch-Installation von Hans op de Beek, die an die Stillleben-Tradition anknüpft, allerdings hat’s auf dem Tisch auch Bäume. Asien geht nicht ohne Keramik. So zeigte dann Hyundai (Seoul) auch die phantastischen Keramik-Rekonstruktionen von Yee Sookyung (mehrere verkauft zu Preisen zwischen 50.000 und 100.000 Dollar). Sie zertrümmert Gefäße, um die Bruchstücke zu neuen, knospenden Gebilden zusammenzusetzen, aber so, dass dieser Prozess sichtbar ist und zum eigentlichen Thema wird. Wunder Asiens...
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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ART HK - Hong Kong International Art Fair
26 - 29.05.2011

Hong Kong Convention and Exhibition Centre
Hongkong, 1 Expo Drive, Wanchai
http://www.artbasel.com


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