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Art Beijing 2011: Romantisierende Deko-Ware

Teile dieser Messe, die Viele für Beijings bedeutendere halten (auch wegen der großen Zahl ausstellender Institutionen), wirken wie ein etwas aus dem Leim gegangener Museumsshop. Die Art Beijing trat, zum fünften Jubiläum, groß und laut auf. So auch die Kunst. Hier, im Gegensatz zur China International Gallery Exposition (CIGE; siehe eigenen Bericht), wo viele leise Töne und Gelassenheit die Oberhand hatten, hatte man hier häufig den Eindruck, es ginge alles nach dem Motto „Hauptsache: maßlos übertrieben“. Ja, die Art Beijing ist der Treffpunkt der Kunst die brüllt, die mit Hinterfotzigkeiten gespickt ist. Eine Kunst der Grenzerfahrungen. Natürlich gibt es auch das in gut und in weniger gut. Ein Ausgleich dazu? Ja, Deko-Ware bis hin zum Kitsch, aber auf hohem Niveau. Überraschend stark: Die Fraktion der engagierten Sozialrealisten mit romantisierenden Obertönen. Kaum auszuhalten. Dann lieber Deko-Kitsch. Dem ist die PIFO New Art Gallery (tolle Räume im Kunstviertel 798) nicht verfallen, im Gegenteil, die Kunst ist hier eher herausfordernd, und Galerie-Direktorin Helen Cao bestätigt das. Viele der Werke „brauchen eher die Umgebung eines Museums“ als die des heimischen Herdes. So etwa die tieranatomischen an Vivisektion und ans Schlachten gemahnenden Skulpturen von Cao Hui (der gleich bei mehreren Galerien präsentiert wurde. Seine Ecorché-Kuh war um 600.000 RMB (etwa 66.000 Euro) zu haben. Gleich nebenan ein weiteres plastische Werk, das seine Wirkung nicht verfehlte: Bei der Line Gallery ein Sofa, in Magenta-metallic, leer, auf das jede Menge wuseliger Kobolde mit per Stöpseln verstopften Ohren schauen. In die Lücke, die Yan Shilin zwischen ihnen gelassen hat, knieten sich die Besucher reihenweise, um sich so fotografieren zu lassen. Und das alles um 680.000 RMB. Groß-Sponsor der Messe ist der VW-Konzern, der auch auf großer Fläche das interaktive Projekt „The People’s Car Project“ vorstellte. Motto: „You dream it, we build it. Together.“ Nun, alles was recht ist, das war weniger ein Traum als vielmehr eine Art geschniegelter Alptraum. Groß auch der Auftritt von „Korea Salon de Future“ (KIAF-Teilnahme für September schon angekündigt). Knaller: Die überbordende Wand-Installation knüffelbunter Groß-Amöben von Jang Seunghyo (individuelle Teile von 1000 bis 14.000 Dollar). Aber es muss nicht immer groß sein. Auch kleine Sachen können viel Charme entwickeln. Bei Magician Space (auch auf der CIGE Aussteller) etwa, wo Boxen mit zum Teil eher eigenartigen Figuren (30x20x20 cm) abstruse Szenen vorführen. Men Dan schafft diese aus Kupfer, Silber und Email. Bei Michael Schultz (Berlin, Beijing, Seoul) beeindruckten die kleinformatigen Landschaften und Figurenbilder von Bernd Kirschner, die Wasserfarben (Blüten und Früchte) auf Taschentuch (!) von Shen Liang (der sonst eher größere Formate mag), und die Keramik-Objekte (Autos, Radios, TV-Geräte) mit traditioneller Chinesischer Bemalung von Ma Jun. Neu bei Schultz: Charlotte Eschenlohr mit kräftigen urbanen Szenen. Eschenlohr nimmt auch bei der Gruppenschau „Swan Stage“ in der With Space Gallery (Beijing und Seoul) in 798 teil, zusammen mit u. a. Sigmar Polke, Gerhard Richter, Cornelia Schleime. A propos Keramik: Nicht nur Chinesen arbeiten damit. Beim Xin Dong Cheng Space for Contemporary Art konnte man den kubanischen Künstler Yunior Acosta sehen, mit einer Arbeit aus der „Bunnies“-Serie, zu haben um 5000 RMB (etwa 550 Euro!). Ein Bunny ist übrigens ein Kinigl, kein Hase. Mit der Zulassung von europäischen Galerien hat die Art Beijing nicht wirklich ein gutes Händchen gehabt. Überwiegend traf man auf Galerien, die in ihrem Heimatland eine Nebenrolle spielen. Da hat’s Verbesserungspotenzial. Was irritiert, ist das Rote-Punkte-Spielchen mancher Aussteller. Es sieht so aus als sei schon vor dem ersten Publikumstag so gut wie alles verkauft. Nur: Die meisten Kollegen glauben das nicht. Auf der Art Cologne kürzlich lief es umgekehrt: Was verkauft war, blieb gar nicht hängen, kam gleich ins Lager. Einen heiteren Akzent bot die Original Song Gallery aus Shanghai: Sieben fette Frauen von Peng Xiaojia, jede gut 60 cm hoch, als Installation gedacht, konnte man um 700.000 RMB kaufen (etwa 77.000 Euro). Die Art Beijing müsste sich eigentlich mit der CIGE vereinen, den Schrott loswerden und könnte so als dann eben wirkliche Marktgröße im Frühjahr der Art Hong Kong (250 plus Galerien aus 38 Ländern, 26.-29. Mai) in gewisser Weise Paroli bieten. Aber das ist wohl eher Utopie.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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Art Beijing 2011
29.04 - 02.05.2011

Art Beijing
Beijing, No. 16, Dongsanhuan North Road, Chaoyang District
www.artbeijing.net


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