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The Armory Show: Geisterdiskussion auf hohem Niveau

So ganz ernst kann man die Einteilung der "Armory Show" in die Sektion "Moderne" und "Zeitgenossen" nicht nehmen, dafür gibt es zu viele Zeitgenossen auf dem Pier 92, wo eigentlich die Moderne sich tummeln soll. Das hat aber noch nie jemanden gestört. Man sollte sich auch nicht von einer auf der Messe gratis verteilten, bekannten englischsprachigen Kunstzeitung irritieren lassen, die eine veritable Geisterdiskussion vom Zaun gebrochen hat. Es geht dabei darum, dass in Miami und Miami Beach die Art Basel Miami Beach genau so die "Übermesse" sei wie in London die "Frieze", dass es das aber in New York nicht so gäbe. Wie bitte? In New York ist seit gut zehn Jahren die "Armory Show" genau so die "Übermesse" - es will doch wohl niemand ernstlich die "Pulse" oder die "Scope" oder sonst eine der gleichzeitig stattfindenden Satellitenmessen der "Armory" gleichstellen? Das funktioniert nun mal gar nicht... Ist die "Armory" nun in den USA die Nummer Eins vor der "Art Basel Miami Beach" (ABMB) oder die Nummer Zwei hinter ihr? Schwer zu sagen. Die ABMB hat eine reichhaltigere Sektion Klassischer Moderne, die Zeitgenossen auf der Armory erscheinen durchaus frischer. Wahrscheinlich ein rein akademischer Unterschied. Die Armory macht auch heuer wieder einen glänzenden Eindruck. Und das auch mit einer Sonderschau von knapp 20 Galerien aus Lateinamerika, von denen alle die Qualitätsansprüche voll erfüllen. Die Stimmung bei Ausstellern und Publikum ist gut bis sehr gut (mit der Möglichkeit von "hervorragend"), und es macht richtig Spass die Schau zu sehen. Es gibt so gut wie keinen Schrott in den Kojen und die Präsentation ist überwiegend gut. Was die Kunst so umtreibt? Nun, man sieht Werke die mit Projektionen arbeiten, Neubearbeitungen der Kunst der Sechziger Jahre, allerlei "Pseudotextiles" aus Geldscheinen und Kronenkorken und so fort zusammengenäht, es gibt auch sich selbst zerstörende Werke, ja und natürlich Totenköpfe in jeder Menge und Form. Waffen, die früher ein paar Jahre lang das Bild der Messe mitbestimmten, scheinen als Motiv dagegen auf dem Rückzug zu sein, auch wenn Natalia Edenmont ein Foto ausstellt, auf dem zu sehen ist, wie ein etwa zehn Jahre altes Mädchen sich eine Pistole in den Mund hält (Wetterling, Stockholm). Da schaudert's einen. Maastricht wirft allerdings seinen Mega-Schatten auch auf die Armory. Thomas (München) musste eine Reihe für die "Tefaf" vorgesehene Stücke schon am Freitag wieder einpacken und in die Niederlande verschiffen. Aber bei Thomas war man zufrieden, man hat, trotz deutlich geringerer Besucheranzahl zur Vernissage sehr viel mehr Umsatz erzielt als im besser besuchten Jahr 2010. Ähnlich sieht es bei G. A. M. aus Bologna aus, wo man alles auf die Karte de Chirico setzt: Das Interesse vor allem auch an den kunsthistorischen Hommagen des metaphysischen Meisters (150.000 bis 1,4 Millionen Dollar) war gleich zu Anfang sehr groß. Die Galerien aus Östrreich schlagen sich ebenfalls wacker. Ernst Hilger (Wien) mit, unter anderem Oliver Dorfer, Erro, Mel Ramos. Vom Letzteren ein echtes Vintage, "Sheena" (1,1 Millionen Dollar - Mel Ramos hat's übrigens auch bei Levy aus Hamburg und Berlin). Georg Kargl hat sein breites Programm mitgebracht, darunter Gerwald Rockenschaub und Muntean / Rosenblum. Die Neoromantiker klingen harmonisch zusammen mit Markus Schinwald, der alte Porträtauffassungen bewegend neu interpretiert. Georg Kargl zum artmagazine.cc: "Wir haben wieder Anschluss an die amerikanische Seele gefunden." Folglich war er zufrieden. Rosemarie Schwarzwälder (Galerie nächst St. Stephan, Wien) verlässt sich mutig ganz auf Katharina Grosse und ihre Variationen in Knüffelbunt, bei Krinzinger und bei Grita Insam (ebenfalls Wien) gibt es "cutting edge', das aber weit über die Schnittkante hinaus; bei Krinzinger dazu Klassiker wie Abramovic und Otto Muehl. Viele Werke sind ausgesprochen witzig, ohne sich im Gag zu erschöpfen. Bei Peter Kilchmann (Zürich) etwa kriecht ein von Javier Téllez herstammendes Stinktier in eine schwarze Chanel-Tasche - und riecht nach dem berühmten Nr 5, das weiland Marion Monroe schonmal als einziges Kleidungsstück diente ("That's all, folks"). Téllez ist auch bei Figge von Rosen (Köln) vertreten, wo ein Filmprojektor den Schatten eines Mini-Mannes in das entstehende Licht-Rechteck wirft (16.000 Dollar). Die Armory wird natürlich auch von den ganz Großen unter den Galerien beschickt, von denen viele da sind, etwa Marlborough und White Cube. Mit dem bekannten Programm, da hat's wenig Experimente. Bei Lehmann Maupin jedoch gibt es Neueres von Gilbert & George, die Serie der "The Urethra Postcard Art", in tantrischer Komposition anrrangierte Reklame- und Postkarten. Bei hohem Interesse des geneigten Publikums - und für 16.750 Pfund. Was sonst noch auffiel: Lori Nix bei Catherine Edelmann (Chicago) mit einem großen Foto (49x69 Zoll, Aufl. 15, 7200 Dollar), das einen wie eine Art Urwald inszenierten "Botanic Garden" zeigt. Und, natürlich Gerd-Harry Lybkes Solo-Schau von Remy Markowitsch. Judy Lybke: "Nichts für Anfänger. Aber das Interesse ist sehr groß. Wir liefern hier ein Statement ab. Beeindruckend ist, mit wie viel Respekt uns begegnet wird." Solchen Respekt zollt man auch den Kreis-und-Quadrat-Kompositionen von SEO (44.000 Euro) aus ihrer farbenfrohen Collagen-Serie, von denen eine schon auf der Vernissage wegging. "Stalinietzsche", eine Skulptur von Jonathan Meese (2006) beeibdruckt hier ebenso wie ein monumentales Streifenbild von Anselm Reyle. Michael Schultz sieht ein besseres Geschäftsklima walten, und damit dürfte er durchaus Recht haben. New York sollte man für März 2012 vormerken.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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The Armory Show
03 - 06.03.2011

Armory Show
10019 New York, Piers 88 und 90
http://www.thearmoryshow.com


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