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Che Fare? Arte Povera - Die historischen Jahre: Aus dem Hallraum des Mythos

Und manchmal hat die Geschichte doch die besseren Geschichten auf Lager, führt vor Augen, wie es einmal war, und versucht zu ergründen, warum es so war, wie es war. Jetzt blättert das Lentos Kunstmuseum Linz im hell erleuchteten Bilderbuch der jüngeren Kunstgeschichte und erzählt die dunkle Geschichte der Italien-stämmigen und Italien-lastigen Arte povera der späten 60er und frühen 70er Jahre. Was für ein transalpines Museum – von Rom aus gesehen – mehr als löblich und mit Blick auf ein mutmaßliches Hauptthema der kommenden dOCUMENTA (13) fast schon seherisch ist: Deren Leiterin, Carolyn Christov-Bakargiev, bekanntlich durch die Arte povera im Kunstbereich sozialisiert, hat mit „Idee di Pietra“ (Ansichten eines Steins) von Giuseppe Penone am 21. Juni vergangenen Jahres eine erste heiße Spur in Richtung Kassel gelegt. In „Che fare? Arte povera - Die historischen Jahre“, einer Produktion des Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz, sieht sich das Kapitel einer armen, nie aber armseligen Kunst von A (wie Giovanni Anselmo) bis Z (wie Gilberto Zorio) und wieder zurück beinahe umfassend behandelt und bebildert. Zwischen den rund 100 Exponaten erschließen sich in dichtem Dialog die Ansatz- und Abstoßungspunkte einer Gruppe von Künstlern, die in sozialrevolutionärer Absicht – typisch 68er! – mit poetisch-pathetischen „Archetypen aus dem Hallraum des Mythos“ (Hans-Joachim Müller) hantierten und argumentierten. In einem auch historisch bestens abgesicherten und philosophisch unterfütterten Terrain (etwa durch Germano Celant oder Harald Szeemann), auf dem die im Gleichschritt agierenden Künstler der Pop Art mit einer auf Hochglanz polierten, wiewohl banalen Alltagsfolklore nichts verloren hatten. Dass die Bild- und Raumobjekte in ihren so lebensnahen und alltagstauglichen, so überdeutlich (vor-) sprechenden Materialien und einer einfachen, direkten Symbolsprache rechtschaffen ausgebrannt daherkommen, mag nicht weiter verwundern. Nachdem die vollmundigen Forderungen der Arte povera nach einem befreiten Leben und einem risikobereiten Ausstieg (unter anderem aus dem Bild) verklungen sind, kann die Größe und Perfektion ihrer Vergegenständlichung der ganz großen Themen – Energie, Alchemie und Existenz, Welt, Zeit und Geschichte – nunmehr unverblümt eingesehen werden. Was in Summe nicht zu deren Nachteil ist. Und so pflanzen sich die immer noch und immer wieder kernkompetenten Erzählungen der Arte povera auf ihrer Suche nach einer authentischen Kunst in einem authentischen Leben in epischer Breite über die Generationen hinweg fort. Was nebenbei den letztlich unabschließbaren Charakter des Mythos beweist, ihn als eine unermüdliche Arbeit des Geistes ausweist, die gerade hier und heute in einen Museumsbesuch münden sollte. Aber das ist wiederum eine andere Geschichte...
Mehr Texte von Stephan Maier †

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Che Fare? Arte Povera - Die historischen Jahre
18.02 - 29.05.2011

Lentos Kunstmuseum Linz
4020 Linz, Ernst-Koref-Promendade 1
Tel: +43 70 7070 36 00
Email: info@lentos.at
http://www.lentos.at
Öffnungszeiten: täglich außer Mo 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr


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