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Francois Morellet: Der Esprit der Geometrie

Wer nie allzu hoch gestiegen ist, der kann naturgemäß auch nicht abgrundtief fallen. In Sachen Karriere, Kunst und Markt zum Beispiel. Die Kunst der minimalen Formursache mit maximaler Bildwirkung, und wie sie uns seit acht Dezennien in der Konkreten Kunst und ihrer transatlantischen Schwester minimal art entgegentritt, war niemals unangefochtener Leader der internationalen Kunsthitlisten. Zu unspektakulär und blutleer, weil scheinbar dramenfern und gestenlos, nie besudelt durch die Tricks von Ego, Manie und diverser Trips, mehr ausgedacht als hausgemacht, aber auch zu spröde, kühl, kalt und abgeklärt kam sie schon immer daher, um den Geschmack einer breiten Masse zu treffen. Konkrete Kunst, das war und ist eine Kunst von und für einen ausgesuchten Kreis von Eingeweihten, einer mehr bis minder elitären Clique von Kennern und Könnern. Francois Morellet ist einer der Künstler, die zu keiner Zeit so wirklich zu den „Konkreten“ in ihren „klein geschriebenen Pantoffeln“ (G. Grass) gepasst haben, um dort vollends vereinnahmt und aufgerieben zu werden. In einem weiteren Jahr der runden Geburtstage und Jubiläen wird dem Grandseigneur der französischen Gegenwartskunst zu seinem 85. Jubeltag und am Vorabend seiner großen Retrospektive im Centre Georges Pompidou in der Salzburger Galerie von Nikolaus Ruzicska mit einer wohlfeilen Übersicht ausgewählter Arbeiten aus den letzten 25 Jahren ein mehr als standesgemäßer Empfang bereitet. In einer Show, in der sich Morellet als Entrepreneur der einfachen Formen erweist, als virtuoser Jongleur auf dem Terrain einer geometrisch-systematischen Kunst, deren mitunter allzu ernst genommene Dogmen um die Spiralen eines jederzeit ablesbaren Humors erweitert sind. Wo in einer garantiert „Schmäh“-freien Zone allerorten ein für ihn so typischer Esprit aufblitzt, der das freie, wiewohl gesittete Spiel mit den Elementen, das festliche Treiben der eleganten Galanterien in die Nähe rokokohafter Etikette und Noblesse rückt. Hinter der diskret vorgehaltenen Hand der streng abgezirkelten Formen, dem achtfach gebrochenen Bogen des Kreises etwa, ist durchgehend ein kaum unterdrücktes Schmunzeln der Geometrie (über sich selbst?) zu vernehmen. Und die Neon-Arbeiten der letzten Jahre lassen kurz, aber sehr entspannt ihre Seele baumeln in die Wärme des Ausstellungsraumes. Da kann die Wasserspiegelung eines akkurat gezogenen Lichtbildes aus dem Jahr 1964 vierzig Jahre später schon mal als graphischer Entwurf dienen, der in seinem wie hin gekritzelten Duktus den Anschein einer zittrig ausgeführten Zeichnung aus Licht erweckt. Die eigentlichen Gustostückerln aber sind die eigens für die Ausstellung konzipierten und realisierten „Defigurationen“, die auf klassischen Prunkstücken aus österreichischen Sammlungen basieren, diese de-figurieren. Die Protagonisten der emphatischen oder idyllischen Szenerien (von Caravaggio, Waldmüller) sind schlicht, aber ergreifend und effektvoll durch unbehandelte Leinwände ersetzt, überdeckt und somit ausgelöscht. Und der Akt der Verehrung / Verwunderung sieht sich in den planen Platzhaltern, Urgrund und Endpunkt der Funzone Malerei, in ihrer Abfolge und Überlagerung aufgesogen und verdichtet. Was bleibt, ist das nun offen gelegte Geheimnis von Komposition und Konstruktion. Ist dies die Geometrie der Poesie? Oder war es nicht andersrum: „Ich liebe die Strenge der Geometrie, aber noch lieber werfe ich sie völlig über den Haufen...“
Mehr Texte von Stephan Maier †

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Francois Morellet
22.01 - 05.03.2011

Galerie Nikolaus Ruzicska
5020 Salzburg, Faistauergasse 12
Tel: +43 662 630 360, Fax: +43 662 630 60
Email: salzburg@ruzicska.com
http://www.ruzicska.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18, Sa 10-14 h


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