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Arte Fiera First: Bologna La Grassa ist zu fett

Reif für die Abmagerungskur: Arte Fiera Der Sieger steht vorläufig fest. Die erste Messe für Zeitgenössische Kunst ist die Artissima in Turin, nicht Bolognas Artefiera. Das Dickschiff legt mit seiner 35. Ausgabe (noch bis Montag) die Vermutung nahe, dass Bolognas Beiname „La Grassa“ (Die Fette) nicht nur etwas mit gutem Essen zu tun haben muss. Zu behäbig ist die Messe mit ihren 204 ausstellenden Galerien, um mit der kleinen, slicken Konkurrenz in Sachen Jugendlichkeit und Attraktivität mithalten zu können. Während sich im Piemont im November die internationale Avantgarde ein Stelldichein gibt, bleiben die Italiener in der Emilia Romagna weitgehend unter sich. Dass das auch so bleiben dürfte, lässt sich schon an der Zusammensetzung des Advisory Committees ablesen, von dessen sechs Mitgliedern bis auf Lorand Hegyi fünf nicht nur aus Italien stammen, sondern auch dort arbeiten. Diese Italianità müsste kein Schandmal sein, wenn man denn zu ihr stehen würde. Doch die Messe behauptet immer noch eine Internationalität, die ihr schon länger abhanden gekommen ist. Die bei anderen Kunstmessen übliche Auflistung der Teilnehmer nach ihrer Herkunft wird hier geflissentlich unterlassen. Selbst Komitee-Mitglied Alfonso Artiaco aus Neapel gesteht im Gespräch ein: „Die Messe ist zwar weniger international“, nur um hinzuzufügen, „aber die Qualität der Italiener ist“ besser. In dieser Einschätzung des Gebotenen dürften ihm nicht alle Besucher folgen. Antonio Tucci Russo aus Torre Pellice, sieht eindeutig „zu viele Galerien. Es solten mindestens 50 weniger sein.“ Damit meint er vor allem die Vertreter ganz junger Kunst. Denn hier ist viel Buntes zu sehen, das in einem tatsächlich internationalen Umfeld keinen Bestand hätte. Mit dem Thema Regionalität geht der Szene-Veteran jedoch eher gelassen um: „Früher, in den 70er Jahren, war es wirklich viel internationaler. Seitdem sind mal mehr, mal weniger ausländische Galerien da. Das wechselt.“ Allerdings schiebt er dann doch hinterher: „Aber die Sammler fehlen schon ein bisschen.“ Auch bei der Galerie Forsblom aus Helsinki, die mit ihrem internationalen Portfolio der Messe tapfer die Stange hält, findet man es „schon sehr italienisch hier. Das hat sich in den letzten Jahren geändert.“ Was jedoch für die Messe spricht, ist die mit dieser Regionalisierung einhergehende Abkoppelung vom internationalen Zirkus und seinen Kapriolen. Denn: „Letztes Jahr war toll“, so das Fazit der Finnen. Und das hätte man zur Jahreswende 2009/2010 andernorts wohl kaum unterschreiben wollen. Das würden auch heuer die wenigsten, denn offensichtlich wachsen die Bäume aktuell nicht in den Himmel. Unübersetzbar italienisch charakterisiert auch Artiaco den bisherigen Verlauf als „benino“, was soviel bedeutet wie „kleines gut“. „Mittel“ urteilt mit Nikolaus Ruzicska aus Salzburg der einzige Österreicher im Teilnehmerfeld. Bei Beck und Eggeling aus Düsseldorf kennt man das Phänomen aber schon und deutet es eher als Verlässlichkeit: „Es ist bisher so, wie wir es erwarten: Wir machen einen kleinen Gewinn und haben das Buch voller neuer Kontakte.“ Auch Patrice Cotensin von der Pariser Galerie Lelong zählt ein halbes ein halbes Künstlernamen auf und meint: „Wir haben die Kosten drin und ein bisschen was verdient.“ Und das am zweiten Abend des zweiten Messetages. Da macht es dann auch nichts, dass bis auf einen alle Kunden aus Italien stammen. Mit denen ist Rüdiger Voss aus Düsseldorf hoch zufrieden. „Es vielleicht ganz gut, wenn mal zwei Jahre lang irgendwo nicht mitmacht“, erläutert er sein Erfolgskonzept. Vielleicht wäre es ebenso hilfreich, nicht jeden italienischen Marktteilnehmer umarmen zu wollen und das Teilnehmerfeld etwas auszudünnen. Denn in der aktuellen Überfülle geht die Orientierung zwangsläufig verloren. Da kann der einheimische Markt noch so stabil sein. Es ist nicht abzusehen, dass die Arte Fiera der Artissima beim internationalen Renommee in nächster Zeit auch nur annähernd das Wasser reichen könnte. Da hilft auch das Namensanhängsel „Art First“ nichts, mit dem die Veranstalter der alten Tante etwas jugendliches Make Up verpassen. Es könnte allerdings genausogut sein, dass die Artissima mangels Einkommen in Schönheit stirbt, während die ältere Verwandte das Problem einfach aussitzt und solange von ihrem Speck zehrt, bis die Zeiten für sie wieder besser werden. Bologna La Grassa eben.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Arte Fiera First
28 - 31.01.2011

Arte Fiera Bologna
40100 Bologna, Quartiere Fieristico di Bologna
http://www.artefiera.bolognafiere.it
Öffnungszeiten: Do-Sa 10.30-20, So 10.30-19 Uhr


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