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Die Satellitenmessen der Art Basel Miami Beach

Neuentdeckung des Kunstmarkts? Overkill. Kein charmantes Wort, aber zutreffend. Die Zahl der Kunstmessen, die sich in Miami und Miami Beach (das sind, was gern übersehen wird, zwei voneinander unabhängige Städte) parallel zur „Art Basel Miami Beach“ (ABMB) dem Sammler stellen, hat zwar etwas abgenommen, es sind aber immer noch so viele, dass niemand es schafft, sie alle zu besuchen. Muss auch nicht wirklich sein, denn da tummelt sich Manches auf dem Marktplatz, das da gar nichts zu suchen hat. Aber das andere Phänomen gibt es eben auch: Dass eine Messe nur dadurch Bedeutung gewonnen hat, dass sie parallel zur ABMB stattfindet. Die Rede ist hier von der „Art Miami“ (AM), der ältesten Kunstmesse in Miami. Diese, einst ein eher müdes Tralala-Ereignis im Januar (allerdings bei Sonnenschein und 24 Grad Celsius), verlegte ihren Termin vor drei Jahren so, dass sie gleichzeitig mit der ABMB stattfindet und, siehe da, aus der mageren Asche entstieg ein ziemlich fetter Phönix. In der Tat hat sich unter Messechef Nick Korniloff die AM qualitativ rasant nach oben entwickelt, und die Ausgabe 2010 hat gezeigt, dass man diese Messe, mit Ausnahme einiger weniger Teilnehmer, schwuppdich in die ABMB integrieren könnte. Das bedeutet, dass die AM eine sehr gute Ergänzung zur ABMB darstellt. Und sie macht, Zwang des Marktes, deren Entwicklung mit: Weg vom Experimentellen, hin zum Bewährten. Natürlich kann man hier und da auch Neues entdecken, und die AM ist alles andere als langweilig – im Gegenteil, sie wirkt überzeugend, frisch und lebendig, aber der Trend, auf Bewährtes (wenn auch Gutes) zu setzen, der zeigt sich auch hier. Dass nun keiner der gut 100 Teilnehmer aus Österreich bei der AM mitmacht, wer will es verstehen? Zumal das auf anderen Parallel-Messen durchaus der Fall ist, wenn auch nicht gerade im Übermaß. Nun denn – die Teilnehmer der AM waren per saldo zufrieden, die Stimmung war gut, das Geschäft lief. Übereinstimmend war man der Meinung, dass der Silberstreif am Horizont doch schon wieder recht breit geworden ist. Leonard Ruethmüller (Basel) meinte dann auch: „Hier sind alle zufrieden.“ Er hatte, eine Entdeckung auf der KIAF in Seoul im September 2010, den Koreaner Hwang Sontae dabei, der mit seinen mehrschichtigen Foto-plus-Umrisszeichnungen (12.000 Dollar) gut ankam. Und es sagte Bernd Lausberg (Toronto, Miami und Düsseldorf) zum artmagazine.cc: „Die Messe ist richtig gut!“ Und hatte allen Grund dazu. Auf dem Messestand, und parallel dazu in der Galerie in Miami, zeigte er die zum Teil atemberaubenden Hinterglasbilder von Michael Burges, die dem Betrachter abstrakte Wahrnehmungswelten zeigen, in die er nur mit den Augen und dem Geist eintauchen kann, wohl wissend, dass diese eine getrennte Existenz führen, und die symmetrischen Rundkörper-Plastiken von Herbert Mehler, der angekündigt hat, in den neuen Werken das Regelmaß aufzubrechen um neue ästhetische Erfahrungen zu ermöglichen. Mit solchen Pfunden ist gut wuchern, zumal Lausberg mit der „Black Box“ von Regine Schumann eine Kojengroße Schwarzlicht / Leuchtkunststoff-Installation zeigte, die nun wirklich „far out“ war. Für Peter Wilde aus Berlin ist die AM ein Muss. Er vertritt (und verkaufte) Evol, der seine Cityscapes auf Kartonage malt und damit eine ungewöhnliche Alltagsanknüpfung bietet (9000-14.000 Dollar) und, gleichsam als Kontrast dazu, die knallbunten Sachen von John Kissick (4000-26.000 Dollar), eine Art Post-Pop-Pattern-Art. Kissick, wie in Deutschland weiland Rolf-Gunter Dienst oder Hans Platschek, sieht sich aber nicht nur als Künstler, sondern als Mitglied auch der schreibenden Zunft. Das hat ja gute, klassische Vorbilder, etwa Wassilij Kandinsky. HA! Wer will dann dagegen noch etwas sagen! Es ist gut so, dass es so etwas gibt … Bei Sundranam Tagore (New York, Beverly Hills, Hongkong) fiel der in Japan hoch verehrte und begehrte Hiroshi Senju auf, mit Preisen zwischen 2000 und 10 Mio. Dollar. Seine schwarzweißen Wasserfälle sind ein internationales Markenzeichen. Merril Wagner schafft aus Blechen große, farbig gefasste Flachrelief-Figurationen („Blue Daffodil“) jenseits aller Dekoration. Die Österreichische Fahne hielt immerhin Norbert Brunner hoch, der seine im wahrsten Sinne des Wortes vielschichtigen Werke bei Claire Oliver (New York) zeigte. Christa Schuebbe (Düsseldorf) war mit den Männerakten von Christian Schoeler so gut wie ausverkauft, und Terminus (München), eine volle Breitseite von Warhol über Rauschenberg und Allen Jones bis zu Roy Lichtenstein und Gerhard Richter in die Messe feuernd, meinte, zusammenfassend: „Das Publikum ist hervorragend, die Stimmung absolut phantastisch, es sind wirklich gute Sammler da, und niemand hat mehr Angst davor, Geld auszugeben.“ Ja. So war’s. Als eine der interessantesten „kleinen“ Messen kann die „Pulse“ gelten, die stets parallel zur ABMB und zur New Yorker Armory Show stattfindet. Einst entstanden als Veranstaltung von „Breakaways“ von der ABMB (so wie Berlin weiland von Art-Cologne-Rebellen gegründet wurde), hat sie sich längst emanzipiert und eine eigene Marke geschmiedet. Hier geben sich, ohne irgendwelche Widersprüche aufzutun, das Poetische und das Durchgeknallte die Hand. Bei der Galerie Conrads (Düsseldorf) herrschte gute Stimmung: „Die Messer war für uns sehr erfolgreich, die Besucher sind total entspannt, auf gutem Niveau gibt es hier gute Resonanz.“ Conrads verkaufte Stephen Shore nach Kanada und Beat Zoderer nach Brasilien. Eitel Freude auch bei Kleindienst (Leipzig). Hier ging Thilo Baumgärtel (für 25.000 Dollar) gleich am ersten Tag weg. Die Abteilung „durchgeknallt“ bespielte etwa Mark Moore (Culver City, CA) mit dem Pop-Surrealisten Jeremy Fish, der auf Fröschen reitende Eulen Mäuse in der Pfeife rauchen lässt (großartig!), für das Poetische erklärte sich unter anderem Horrach Moya (Palma de Mallorca) zuständig. Etwa mit Arbeiten von Jorge Mayet, der Häuser mit Ästen, an denen Federn kleben, leicht und luftig schweben lässt (auch absolut phantastisch!). Bei Thomas von Lintel („Eine super Messe!“) aus New York gibt es derzeit auch eine Galerie-Schau mit Zhou Cao (läuft hier unter „Kao“, eigtl. „Ssao“). Mit seinem Fingerabdruck öffnet Cao die Bildebene und gibt den Blick zum Beispiel auf Filmdiven frei. Ernst Hilger (Wien) feierte Erfolge mit den Textilwerken von Sarah Rabar, die sich mit den neueren Arbeiten sehr direkt mit Militärischem auseinandersetzt, auch unter Mitbenutzung echter Teile als emotionalisierende Versatzstücke („US Field Protective Mask M9A1“). Und mit Cameron Platters Textbildern, mit Fotografischem von Angel Marcos und Anastasia Khoroshilova (mal in S/W) sowie wundervoll Schrägem von Clifton Childree: Man steckte seine Hände in einen Automaten, wühlte in Erde und bekam vorausgesagt, welche Art Zombie man werden würde. Uuiiih … Die „Scope“ zeigte in eher gemischtes Programm, zwischen unentschieden wirkenden Fotoarbeiten (mit Aufschrift) von Julian Lennon (bei Symbolic Collection; San Diego, New York, London), den begeisternden Leuchtkästen von Lee Lee Nam (Seju, Seoul – ansonsten waren überhaupt nur wenige Koreaner in Miami und Miami Beach) und Bunt-fetziges (Naja Mahdaoui; Asad Faulwell, Ran Hwang) bei Kashya Hildebrand (Zürich), deren Stand sich auch in die im gleichen Zelt stattfindende Messe „International Asian Contemporary Art“ (IACA) erstreckte. Die IACA gibt einen Einblick in die asiatische Kunstszene, der beängstigend klar macht, wie riesig und kreativ diese ist. Hier ist für die Zukunft alles offen. Bei de Messen hatten ihre Erfolge. Auf der Scope kommentierte Kai Brückner (TZR, Düsseldorf; sein Star: Johannes Brus) die Lage: „Wir entdecken den Kunstmarkt neu. Hier wird alles mehr und mehr Disneyland.“ Nun ja – bei so viel Buntem, und immer häufiger um die Ecke schauenden Aliens und x-fach abgewandelten Wolpertingern auf den Ständen kein Wunder. Zwei echte Entdeckermessen fanden in Miami Beach statt, voll junger, frischer, nach Anerkennung strebender und diese verdienender Kunst. Einmal die „Aqua“, die wieder in das gleichnamige Hotel auf der Collins Avenue zurückgekehrt ist. Bei Katherine Mulherin (Toronto) gab es nicht nur einen schwarzen Wimpel der „Fuck Death“ Foundation (45 Dollar), sondern auch die superdichten Wimmel-Zeichnungen von Oscar Camilo de las Flores, in denen man stundenlang wandern mag, oder die Pop-Surrealistischen Zeichnungen von „The Slowmotion“ (klein 300, größer 400 Dollar). Bei Donna Seager (San Rafael, CA) genoss man die umwerfend originellen Büsten aus Holz und Gefundenem von John Brubaker (4500 Dollar), eine Art figurativem Horst Kohlem, und T40 (Düsseldorf) zeigte (und verkaufte nach New York) den Schweizer Damien Comment, der in einer Art „Post-Painterly-Figuration“ auf Folien malt. Alles gut, alles frisch. So wie auch bei der diesmal wirklich begeisternden „NADA“ (New Art Dealers Association), ebenfalls auf der Collins Avenue, aber „oben“ im Deauville Resort an der 67. Straße. Fast jeder Stand präsentierte ein zukunftsträchtiges Programm. Etwa die Kate Werble Gallery (New York) mit knallbunten Pappkesseln (auch aus Holz und Kunststoff) mit drei Beinen von Christopher Chiappa, mit – bei Jacky Strenz, Frankfurt am Main – farbig gefassten Styropor-Skulpturen von Lin May („Kleiner Elefant, sieht ein wenig aus wie eine Gestalt von Wilfredo Lam) oder latter-day Landschaften im Sinne von John Martin von Leslie Shows bei Jack Hanley (New York; 25.000 Dollar). Völlig abgefahrene Brunnen, etwa in der Form eines aufgeklappten Riesen-„Subways“ durch den weißes Wasser fließt, macht Joel Kyack. Sein Galerist ist François Ghebaly aus Los Angeles. Das hat Pep. Mehr davon! Der Abräumer schlechthin jedoch war die Schau von Liz Glynn bei Redling Fine Art, ebenfalls aus Los Angeles. Die Künstlerin hat antike Vasen aus Papieren nachgebaut. Aber nicht einfach so, sondern sie beziehen sich alle auf antike Stücke, die als Raubkunst von Spanien an Italien zurückgegeben werden mussten. Da wird Historie zur Aktualität. Kunst kann man das nennen. Sollte man auch.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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