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Cologne Fine Art & Antiques: Herbstfrühling

Sie hieß einmal Westdeutsche Kunstmesse (WKM) und war die Nr. 1 in der Bundesrepublik Deutschland, mit großer internationaler Beteiligung und regem Publikumsinteresse, ein „destination event“ wie weiland die Art Cologne. Aber die Zeiten ändern sich. Bis auf die ganz, ganz großen internationalen Messen haben alle heftig Federn lassen müssen, auch die „Cologne Fine Art & Antiques“ (cofaa), gleichsam Nachfolgerin der WKM und mittlerweile auf den alten Termin der Art Cologne gerutscht (und damit zeitlich nach den drei Münchner Messen auf dem Tapet), ist nicht, was die WKM einst war. Aber: sie hat sich nach massiven Problemen wieder bekrabbelt. Der Chefin, Ulrike Berendson, ist damit ein kleines Kunststück gelungen. Ein Messefrühling im Herbst … Die cofaa zieht das traditionelle stadtkölnische und rheinische Sammlerpublikum an und wirkt bis in die Benelux-Länder hinein. Eine echte Konkurrenz besteht zwischen Köln und München nicht, denn beide Standorte wirken in die weitere Region, und ihre Messen überschreiten in der Ausstrahlung kaum den Weisswurst-Äquator. Diese Einschätzung wird von vielen Teilnehmern an Rhein und Isar geteilt. So sagte Klaus Schwarzer (Düsseldorf) dem artmagazine.cc: „Eine gute Messe, die hinter den beiden großen Münchnern nicht zurücksteht. München und Köln haben ein ganz anderes Publikum und ein völlig unterschiedliches Umland.“ Gut verkauft hatte Schwarzer dann auch. Wie so einige. Manche, freilich (Hofmannsthal) machten lange Gesichter – zumeist jene, deren Angebot zwar gut, aber a bisserl bieder war. Das Angebot war generell sehr ansprechend, Schmuddelecken mit Edeltrödel, Puttenkitsch und tümelndem Tralala wie zu Zeiten des Niedergangs gab es praktisch nicht. Aber man sieht doch, dass die cofaa mehr und mehr von der Klassischen Moderne und den Nachkriegsklassikern bestimmt wird. Antiquitäten sind auf dem geordneten Rückzug. Außer bei den Sammlerteppichen offenbar – denn in der Sparte hatte es glatt vier Teilnehmer. Erstteilnehmer Tehrani (Hamburg) meinte: „Für das erste Mal sind wir zufrieden.“ Und wurde sekundiert von Hans Eitzenberger (Hamburg): „Das Interesse am Sammlerteppich wird wieder größer.“ Eitzenberger hatte u. a. einen ganz seltenen – nur kaum mehr als zwei Dutzend sind weltweit bekannt – Stern-Kasak dabei. Der allein lohnte schon die Anreise … Für China-Freunde gab es bei ihm einen 210x130 cm großen Teppich mit “Pao Tou“-Drachen (NO-China, um 1900) – und das für durchaus preiswerte 14.800 Euro. Um das Angebotsspektrum zu erweitern, setzt man am Rhein auch auf Design. Aber da muss noch viel gelernt werden. Die Design-Abteilung war wirklich die für den schlechten Geschmack. Was da zum Teil an grauenhaftem Gekrusch herumstand wird der Messe kein Ansehen verschaffen, internationales schon mal gar nicht. Design-Händler verstehen offenbar rein gar nichts von Stand-Design. Was Florian Borkenhagen da in der „Design Lounge“ an Geräten und Möbeln mit Rädern versehen hat (einschließlich eines selbstgebastelten, nicht funktionierenden Karrussells) wäre auf jedem elsässisch-lothringischen Flohmarkt mit alten Zwiebeln beworfen worden. Ein hübsches Experiment (gab’s schon mal in Palm Beach) machten Außereuropäische Kunst Dierking (Köln) / frankandoliver (Zürich) / Flo Peters (Hamburg). Der große Stand stellte eine Art Sammlerwohnung dar. Hier ein „PK 20“-Sessel von Poul Kjaerholm (für E. Kold Christensen), daneben eine Giryama (Gedenkstele) aus Kenia (168 cm hoch), dort ein Sideboard des Art Déco mit Lalique-Karaffe obenauf, an der Wand Vintage-Fotos. Kann man damit wirklich leben? Nun, manche wohl schon … Bei Pendulum (Hamburg) hätte man sich noch eine hübsche, schlichte, englische Uhr zulegen können. Hier lobte man das „kauffreudige, gebildete Publikum“ der Messe. Nur ging diesem schnell die Puste aus: Öffnungszeiten bis 20 Uhr sind krass übertrieben. Von 18 Uhr an herrschte das Grauen, das aus den bekannten öden Fensterhöhlen herübergekrochen war: Niemand mehr da, keiner zu sehen. Am Sonntag, als die Messe um 18 Uhr schloss, war es um 16:30 zappenduster. Eine Vorverlegung des Zapfenstreichs ist wohl angesagt. Aus Aachen war Steinbeck angereist – mit Meißen ohne Ende (Teller um 3-4.000 Euro) und allerlei Schmankerln. Und Reinhold Bürgerhausen, der unter anderem eine Rokoko-Kommode zeigte (Schweden, um 1760, bombiert, Nussbaum und Ulme) und bescheidene 13.900 Euro verlangte. Möbel waren zum Teil ein echter Renner: „Wir haben viel Holz bewegt“ meinte ein sichtlich zufriedener Georg Britsch jun. (Bad Schussenried). Asiatisches ging auch: Japanische Holzschnitte bei Kotobuki / Ruetz (München) oder Schmitz (Köln), der meinte: „Für uns ist es sehr gut gelaufen.“ Thole Rotermund aus Hamburg strahlte ebenfalls Zufriedenheit aus: „Wir haben schon 60 Prozent des aktuellen Kataloges verkauft, und diese Messe hat wesentlich dazu beigetragen.“ Viele Händler bildeten Schwerpunkte (eine gute Strategie) – Hans Hartung bei Fahnemann (Berlin), Beuys-Editionen und Polke auf Papier bei Holtmann (Köln), Fred Thieler bei Marianne Hennemann (Bonn), Andy Warhol bei Klaus Benden (Köln), unter anderem fast alle LP-Hüllen, die Warhol gestaltet hat. Und in der Tat hat sich der Schwerpunkt der Messe insgesamt ein wenig von den Antiquitäten wegbewegt, 19. Jahrhundert und danach dominieren, mit viel Arbeiten auf Papier und Leinewand: Max Ernst, Jawlensky, Matisse & Co. bei Salis & Vertes (Salzburg, Zürich), oder Spitzweg (kleines Bild eines Cellisten) und ein mittelgroßer aber sehr prächtiger Oswald Achenbach bei Thomas Schneider, München. Der Achenbach, „Abendsonne über einem Flusstal in der Campagna“ (100x160 cm, um 1855) ist mit zwei Kanälen in die Tiefe des Bildraumes hinein perspektivisch höchst originell. Preis? „Auf Anfrage“, gerade so wie bei den Damen vom Gewerbe. Auf diese Floskel trifft man immer noch viel zu häufig. Ein Dauerbrenner ist alter Schmuck, aber natürlich nur Top-Stücke. Röder (Mönchengladbach) brillierten wieder einmal, unter anderem mit einer ganzen Serie von Nardi (Italien); pièce de résistance darunter ein Anhänger mit Sonnen-Cameo an einem Mohren-Kopf. Getoppt wurde das wohl nur noch durch eine Brosche von Rigaud (Paris) bei Claude-Noelle (Brüssel): Eine opulente, etwa 12 cm große Weinrebe, geschaffen um 1850. Das nennt man Schmuck, und kostet doch nicht mehr als 18.000 Euro. Ja, das macht Spaß. Den nächsten Termin kann man sich gern vormerken: 16.-20.11.2011.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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Cologne Fine Art & Antiques
17 - 21.11.2010

Cologne Fine Art
50679 Köln, Messe Köln, Messeplatz 1, Halle 11.2
http://www.colognefineart.de
Öffnungszeiten: täglich 12-20h


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