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Ars Nobilis: Patriotismus und Geschäft

Die Ars Nobilis in Berlin behauptet ihre Sonderstellung unter den deutschen Kunst- und Antiquitätenmessen. Weil in dieser Metropole die preußischen Tugenden so rein gar nichts gelten, ist Berlin die wohl unpreußischte Stadt Preußens. Und so empfängt den Besucher der Kunst- und Antiquitätenmesse „Ars Nobilis“ auf zwei Etagen des VW-Automobilforums (Unter den Linden / Ecke Friedrichstraße) auch kein Tschingderassabum, sondern ein veritabler Bugatti Veyron, das ist der mit den 1001 PS, für jeden Buchstaben in den „Donnerworten“ in „Finnegans Wake“ von James Joyce eine. Ja klar, auch Scheherazade ist angesprochen. Und innen – die Ars Nobilis ist die wohl einzige Messe ihrer Klasse mit freiem Eintritt – ein hochkarätiges Angebot von Kunst und Antiquitäten vom Mittelalter bis (vereinzelt) in die aktuelle Gegenwart. Die Messe ist nicht nur eine Leistungsschau des Berliner Kunsthandels, auch Kollegen aus dem Rest der Republik sind mit von der Partie. Auch das macht die Messe besonders: Man nimmt hier aus patriotischen Gründen teil. Um Berlin zu stützen, um den Namen der Stadt auch jenseits von Politik im Gespräch zu halten. So halten es Achim Neuse und Volker Wurster seit Jahren. Die Galerie Neuse (Bremen) ist stets dabei. Natürlich hat der Patriotismus auch einen kommerziellen Hintergrund, wenn auch indirekt: Hier kann man, das haben die beiden Bremer Kunsthändler immer wieder betont, gute Kontaktpflege betreiben, denn hier tauchen die Museumsdirektoren und andere „Oren“ zuhauf und geballt auf. Nun, einige Aussteller machen sogar gute Geschäfte. Terminlich ist die Messe eingequetscht zwischen den drei Münchner Veranstaltungen und der Cologne Fine Art (17.-21-11.), so dass im deutschen Herbst eine Reihe von Kunsthändlern echt unter Messestress leiden. Einmal abgesehen davon, dass nach Köln noch die niederländische „PAN“ stattfindet. Das ist fast beinah (Eugen Roth) „Overkill“. Aber Berlin ist ein Muss, denn es ist ein aufmerksamkeitsstarkes Forum, auf dem man sich gut in Szene setzen kann. Etwa Daniel Becht aus Bamberg, der einen ebenso rasanten wie verdienten Aufstieg vom Nockherberg über die Highlights nach Berlin hinter sich gebracht hat. Er zeigte einen überdurchschnittlich qualitätvollen „Secrétaire en acajou“ (Holz von Bäumen die zu den Meliazeen gehören, so auch bestimmte Mahagoni-Arten), 145x96x42, komplett erhalten, in fantastischem Zustand. Die Tragekonstruktion ist Eiche, furniert mit einem allerdings sehr harmonischen Allerlei. Daniel Becht zum artmagazine.cc über Berlin: „Es herrscht gutes Interesse. Vor allem gibt es hier ein außergewöhnlich fachkundiges Publikum, nicht nur die vielen Museumsleute. So etwas wie in München, wo man schon mal hört ‚der glänzt mir zu wenig’, nein, das gibt es hier nicht.“ Neuhaus Würzburg nimmt heuer nur indirekt teil. Er kooperiert schon länger mit Frank Knothe, der eigentlich Augenchirurg gelernt hat (Augustus Rex Kunsthandel, Dresden). Er bringt das Kaufverhalten der Berliner auf den Punkt: „Heute ist Sonntag, heute ist Entscheidungstag.“ Ein Knüller auf dem Stand: Die heitere kleine Landschaft mit Mühle vom älteren Jan Brueghel (550.000 Euro), ein echtes Rarissimum. Bei Ernst von Loesch / Susanne Gropp (Berlin) erregte eine Kaminuhr aus St Petersburg das Interesse einer kürzlich aus Wien an die Spree zurückgekehrten jungen Dame. Das Teil aus dem 19. Jahrhundert zeigt, für 4300 Euro, einen zu einem Drachen luxurierenden Schwan, im Stand geritten von einem Pfeile schießenden Amor. Die Botschaft ist wohl: Liebe jetzt, denn es flieht die Zeit. Was ja auch zutrifft. Um noch einmal Scheherazade zu bemühen: Die Galerie Neuse (aus der Hansestadt Bremen) zeigte u. a. Henkelvasen und Teller aus der ersten „Arabischen Serie“ von Josef und Ludwig Lobmeyer (Wien, um 1878), und ein Tischlein (table de toilette) von der Weltausstellung in Paris 1878, geschaffen durch Charles Guillaume Diehl. Bühler (Stuttgart) fand die Messe „so weit so gut“ und hatte ei echtes Romantik-Stück dabei, „Italienerinnen im Park“ von August Riedl (1799-1883). Er schuf das Bild 1840 in Rom (wie ja ohnehin ein Großteil der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts in Rom entstand), für 60.000 Euro war’s heuer im Angebot. Der zarte Schmelz der Malerei ist verführerisch, und wer eingefangen wird vom Charme des Bildes, sieht, so ist sie nun mal, die Romantik, sich bald in arabesken Assoziationen verloren. Tief durchatmen … Verkauft für 19.000 Euro war die Original-Porträtlithografie der Marcella Lender von Toulouse-Lautrec (aus der Zeitschrift „PAN“, 1, 1895), und zwar beim Kunstkabinett Strehler aus Sindelfingen. Ein Schnäppchen, denn das Werk wird anderwärts für 55.000 Dollar angeboten. Hier fand man auch wohl die preiswertesten Angebote der Schau: Mini-Bücher zu je 20 Euro. Keine Antiquitätenmesse ohne Meissen, und as hat’s etwa bei Renate Steinbeck aus Aachen, wo hübsche Teller (aus dem 18.Jahrhundert) für 2800 bis 3200 Euro zu haben waren. Da kann man sich glatt neu ausstatten … A propos Ausstattung: Die feine Dame und der noble Herr können das auch beim Altschmuck-Spezialisten Ulf Breede tun (Stand zusammen mit Johanna Breede Fotokunst). Ulf Breede hat ein Dreifach-Set einer Frack-Garnitur, je einmal in Smaragd, Rubin und Saphir (um 1920), für um die 30.000 Euro. Très chic! Breede verkauft auch 2,5 Milliarden Jahre alten kristallinen Kohlenstoff, vulgo Diamanten, auf einem neuen, eigenen Internetportal (www.diamanten-breede.de). Asien darf aus einer Altkunstmesse auch nicht fehlen. Diesmal vertritt Ruetz / Kotobuki aus Olching (Neu-Esting) dieses Sammelgebiet. Ein echter Knüller: Eine polychrome Tusche auf Seide von Mori Sosen (1747-1821), die einen Makaken zeigen (so einen, der im japanischen Winter gern in warmen Quellen badet), wie er dabei ist, etwas zu untersuchen, was er in den Händen hält. Ob es die 4400 Euro sind, die man für ihn zu bezahlen hat? Na, wäre doch schön!
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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Ars Nobilis
05 - 14.11.2010

Automobil Forum Unter den Linden
10117 Berlin, Unter den Linden 21
Tel: +49 30 20 92 12 00, Fax: +49 30 20 92 12 01
Email: info.automobilforum@volkswagen.de
http://www.automobilforum-berlin.de


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