Manfred M. Lang,
Die auf dem Wasser gehen
In einem Interview mit Werner Spies in der Kunstzeitung 169 gibt’s einen netten Satz über Künstler, die ihm etwas bedeuten:
„Es sind Menschen (die Künstler nämlich), die, metaphorisch gesprochen, auf dem Wasser gehen können, ohne unterzugehen. Die nicht einfach nur ein Fußbad im Zeitgeist nehmen“.
Solche Wasserwanderer sind seiner Meinung nach z.B. Picasso, Leger, Braque und natürlich der von ihm verehrte Max Ernst, sowie Baselitz, Kiefer, Longo, Gursky und, auf Max Ernst bezogen, natürlich Neo Rauch.
Die Genannten haben aber sicherlich zu Ihrer Anfangszeit zuerst einmal auch ihr notwendiges Fußbad im Zeitgeist genommen. Dann wurde noch ein ausgiebiges Vollbad draus, bevor sie – vielleicht – zu jesusähnlichen Wasserwanderern wurden.
Also ist die lockere und abwertend gemeinte Bemerkung über all die anderen (jungen?) Künstler „die nicht einfach nur ein Fußbad im Zeitgeist nehmen“ für einen wie Werner Spies doch ziemlich schwachsinnig.
Seine Lieblingskünstler „überzeugen mich vor dem Hintergrund der Geschichte, die ich erleben durfte“.
Aber all die restlichen Fußbadkünstler arbeiten vor ihrem Vordergrund der Realität, die sie tagtäglich erleben müssen. Und da spielt der Zeitgeist nun einmal eine vordergründige Rolle.
So alte Herren wie der Werner Spies (oder auch ich) sehen uns natürlich immer öfter mit Künstlern konfrontiert, die wir aus Bequemlichkeit und/oder Voreingenommenheit gerne dem un- bzw. missverstandenen Zeitgeist unterjubeln wollen.
Aber wir haben keine Ahnung und werden es vielleicht auch nicht mehr erleben, ob nicht aus heutigen zeitgeistigen Fußbadern aufregende Wassergeher vor dem Hintergrund ihrer erlebten Geschichte werden.
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