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Anna Stangl - Im Wald: Geschmackvoll, nicht gegrillt

Hänsel und Gretel // verliefen sich im Wald // dort war es finster // und auch so bitterkalt – so heißt es in einem Lied, das an das Märchen erinnert, in dem der Wald die Metapher fürs Verlorengehen schlechthin ist und das ziemlich doof für Hänsel ausgegangen wäre, hätte ihn Gretels List nicht vor den kleine-Jungs-lecker-Braten-Plänen der Hexe gerettet. „Im Wald“ heißt die Ausstellung in der Galerie Gerersdorfer mit 22 gerahmten Papierarbeiten und einer großen Scherenschnittinstallation von Anna Stangl. Wer den Schrecken der Knusperhaushexe sucht, wird nicht fündig werden. Vielmehr erscheint der Gesamteindruck zart und farblich zurückhaltend, was durch die sorgfältig elaborierten Zeichnungen von Gräsern, Erdbeeren und anderer Waldflora unterstützt wird. Die Figuren in diesen Settings, meistens jugendlich erscheinende Frauen, sind mit durchgehenden Umrißlinien gezeichnet und oftmals durch aufwändige Transparenzmachung des Papiers mittels Mohnöl auf der Rückseite erarbeitet und dadurch materiell von ihrer Umgebung abgesetzt. Die Bildräume ergeben sich meistens durch die der Realität nicht streng verpflichteten Größenverhältnisse der Figuren; kaum einmal findet sich eine Horizontlinie. Wenn überhaupt, sind die Körper mit durchsichtigen, tattooartigen Mustern bekleidet. Diese Bildwelt läßt zunächst also alle Schrecknisse der Gegenwart wie Umweltzerstörung, Populismus, Krankheit und Armut vermissen – insofern erscheint sie märchenhaft. Aber die Auseinandersetzung zwischen Biestern und Menschen ist präsent und auch die Schwierigkeit der Unterscheidung zwischen beiden Arten. So wird in der großen, in zwei Tagen von der Künstlerin vorsichtig aufgenagelten Scherenschnittinstallation („Im Wald“, 6,20x3,50m, installiert bis Ausstellungsende) ein Hase von einem füchsigem Wolf verfolgt. Der Hasenhintern ist trotz geschlossenem Wolfsmaul schon blutrot angelaufen. Rosenblattartige Tropfen fallen bis auf den Fußboden. Der Hase grinst seltsam; die Häsin schaut dezidiert in eine andere Richtung und säugt ihr Junges. In einer anderen Arbeit, vielleicht der geheimnisvollsten, sieht man ein handpfotiges Biest neben einer biegsam geneigten Blume mit Frauenkopf, dessen Augen von langem Ponyhaar verdeckt werden. Vor der Blume liegen Gewand und Stöckelschuhe (Tarnung II, 2010). Trotz sparsamer Mittel haben die Gesichter sehr entschiedenen Ausdruck – Koketterie, Entspannung, Sehnsucht – das Spektrum der gezeigten Emotionen ist vielfältig. Das Raffinement dieser Märchenwelt von Anna Stangl könnte darin begründet sein, dass das Schreckliche mit Augenzwinkern vorgeführt wird, als ironisch gehoben heiteres Moment. Dies listig zu nennen, wäre grob. Eine Hexe zu verbrennen kann kaum als feinsinnig bezeichnet werden – die Bilderzählungen von „Im Wald“ können darauf sehr wohl Anspruch erheben.
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Anna Stangl - Im Wald
22.10 - 13.11.2010

Galerie Gerersdorfer
1090 Wien, Währinger Strasse 12
Tel: +43 1 310 84 84, Fax: +43 1 310 84 85
Email: office@gerersdorfer.at
http://www.kunstnet.at/gerersdorfer
Öffnungszeiten: Do, Fr, Sa 11-20


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
eine Frage ans Artmagazine
k.A. | 01.11.2010 08:50 | antworten
Verehrtes Artmagazine, nachdem ich ja schon seit Monaten (wenn nicht Jahren) kritisiere, dass es für MUSA-Startgalerie-Ausstellungen unkritische, bezahlte Rezensionen im Artmagazine gibt, beschleicht mich nun auch folgender Verdacht: Da mich die Oberflächlichkeit und der Schreibstil frappant an MUSA-Artikel erinnern, gestatte ich mir also die Frage, ob auch die auffallend zahlreichen Galerie-Gerersdorfer-Rezensionen in Wirklichkeit bezahlte Werbung sind? Besten Dank für eine Auskunft und Entschuldigung, falls ich diesmal irgendjemandem Unrecht getan habe...

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