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Albert Oehlen - Werke aus der Sammlung Grässlin: Die Kunst und ihre Bürger

„Das geilste ist, dass keiner das merkt“ Albert Oehlen und der Schwarzwald St. Georgen im Schwarzwald. Vom Bahnhof aus der Bahnhofstrasse bis zur Tankstelle folgen. Dann den Berg hoch, nach etwa 300 Metern und zwei drei Biegungen taucht rechts eine graue Kiste auf, die an einen modernen Museumsbau erinnern lässt. Auf dem Vorplatz laufen bereits Vorbereitungen für die Eröffnung der neuen Albert Oehlen Ausstellung. Einige Jugendliche sind mit dem Aufbau des Catering beschäftigt. Im Museums-Restaurant „Kippys“ wird noch das Mittagessen serviert. Nebenan läuft der Mikrofon-Check. Nach und nach füllt sich der Platz. Die Landbevölkerung mischt sich mit Gästen aus der Kunstwelt. Alle warten auf die obligatorische Begrüßungsrede. Ein Ausstellungsraum ist schon zur Besichtigung freigegeben. Vier großformatige Gemälde (Ofen, 1982/ Die Veränderung, 2005/ Salon, 2004/ Cows by the water, 1999) und ein kleineres (El Dioni,1998) bieten eine erste Kostprobe von Oehlens Kunst. Dieser Appetithappen macht Lust auf mehr. Eine große Tür frohlockt. Man möchte endlich mehr sehen. Erste Enttäuschung stellt sich ein. Hinter dieser Tür befindet sich kein weiterer Ausstellungsraum. Das Lager bleibt für die Besucher aber unzugänglich. Das kann doch nicht alles gewesen sein. Dann endlich die Eröffnungsrede. Der Künstler steckt im Stau. Schliesslich Aufklärung. Die weiteren Ausstellungsräume sind auf verschiedene Lokalitäten des Städtchens verteilt. In fünfzehn Minuten beginnen die Führungen. Der erste Raum ist ein Schaufenster. Die Sonne spiegelt sich in der Fensterscheibe und erschwert den Blick ins Innere. Der Wunsch hineingehen zu können, wird enttäuscht. Statt dessen geht es weiter in ein altes Fabrikgebäude. Dort herrscht Museumsatmosphäre durchsetzt mit den Erinnerungen an die alte Betriebsamkeit. Hier wird unter anderem „Morgenlicht fällt ins Führerhauptquartier“ (1982) gezeigt. Der ins Bild integrierte Spiegel zieht einen direkt hinein – ,ins Führerhauptquartier‘. Das eigene Spiegelbild wird Teil des Bildes. Das Hakenkreuz auf den Bauch gemalt. Nächste Station Heimatmuseum. Bei der Bildbetrachtung nicht den Kopf stoßen. Und weiter geht´s zum „Möbelhaus Finkbeiner“. Wieder die Sonne. Die Scheibe spiegelt. Man drückt sich die Nase platt, um die Auslage sehen zu können. Dann zur Sparkasse. Im Foyer der „Porsche des Kleinen Mannes“, wie erklärt wird. „Capri bei Nacht“ (1982) ist ein brauner Ford Capri – von Kippenberger und Oehlen mit brauner Farbe und Haferflocken besprüht. Nur der Aufkleber „Kenner trinken Württemberger“ am Heck stört – hier in Baden. Weiter in den Plenarsaal des Rathauses. Ein Bau aus den Siebzigern. Unten jede Menge Lokalpatriotismus. Oben im Gemeinderat hat die Kunst ihren festen Sitz neben dem Stadtwappen. Noch ein, zwei Schaufenster. Dann über den Friedhof zum Anwesen der Sammlerfamilie. Durch den Garten. In den Privatgemächern der Eltern hängt Informelle Malerei. Daneben Oehlens neuste Fingermalerei. Schliesslich noch eine Wohnung der jungen Generation. Noch ein paar Stationen und wieder zurück. Nach einem rasanten Rundgang und einer Flut von Eindrücken bleiben viele Fragen offen. Über seinen Kollegen Jörg Immendorf sagte Albert Oehlen einst: „Das agitierende oder auch nur erklärende ist ja gleich null. Auf malerischer Ebene ist das aber die radikalste Verweigerung jedes Genusses. Reines Programm. Sobald die Figuren erkennbar sind und auf ihren Stühlen sitzen, ist der Auftrag erledigt. Damit hat er mit fürchterlicher Konsequenz alle traditionellen Zugangsmöglichkeiten eliminiert. ... Das geilste ist, dass keiner das merkt.“ (Monopol, 1/2010). Insofern sind Oehlen und der Schwarzwald die ideale Symbiose.
Mehr Texte von Thorsten Schneider

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Albert Oehlen - Werke aus der Sammlung Grässlin
12.09.2010 - 19.06.2011

Kunstraum Grässlin
78112 St. Georgen, Museumstrasse 2
Tel: +49 77 24 91 61 805
Email: info@sammlung-graesslin.eu
http://www.sammlung-graesslin.eu


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