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Von Kunst zu Leben - Die Ungarn am Bauhaus: Melancholie in der Kantine

Den Ausschlag zur Aufarbeitung des ungarischen Anteils am Bauhaus gab der Status von Pécs als europäische Kulturhauptstadt 2010. Die südungarische Stadt war Schauplatz einer kurzlebigen Räterepublik, nach deren Sturz 1919 nicht wenige der jungen, progressiven, linken Künstler nach Wien zogen. Ihre expressiv-konstruktivistische künstlerische Sozialisation brachte gewisse Berührungspunkte mit dem damals in Wien wirkenden Johannes Itten. In der Folge verschlug es fast alle nach Weimar. Mit 25 Studenten stellten die Ungarn, unter ihnen viele Juden, die drittstärkste Nationalitätengruppe am Bauhaus. Fast ein Drittel von ihnen war aus Pécs, mehrere andere wurden im heute rumänischen Banat geboren. Als Meister wirkte László Moholy-Nagy, dem jüngst eine großartige Ausstellung im Gropiusbau gewidmet war; Fred Forbát begann gleich im Baubüro von Walter Gropius, während der junge Marcel Breuer vom Studenten zum "Jungmeister" und Stahlrohrmöbel-Star aufstieg. Weniger prominent sind der vielseitige Andor Weininger, Kabarettist, Bühnenbildner, Gründer der Bauhaus-Kapelle und gemeinsam mit Vilmos Huszár Bindeglied zu Theo van Doesburg und De Stijl; István Sebök, Maler, Architekt und Mitarbeiter bei Moholy-Nagys "Licht-Raum-Modulator", der 1942 den stalinistischen Säuberungen in der Sowjetunion zum Opfer fiel; Gyula Pap, der mit seinem Glassamowar-Entwurf die eigentliche Anregung für Wilhelm Wagenfelds ikonische Tischlampe gab; Sándór Bortnyik, der kubistische und expressionsitische Einflüsse mit einem Hang zur Pittura Metafisica verband, oder die Textildesignerin Otti Berger, die die opulente Tracht ihrer Heimat in Dessau ausführte. Gertrud Arndts Fotografie der am Tag vor der Bauhaus-Schließung melancholisch und verlassen in der Kantine sitzenden Berger ist symptomatisch: Zu ihrer kranken Mutter aus England nach Budapest gereist, konnte Berger das Land nicht mehr verlassen. Ihr Leben endete in Auschwitz. Die rund 270 Exponate umfassende Ausstellung zeigt nicht zuletzt die große Bandbreite und Interdisziplinarität der ungarischen Bauhäusler, die wichtige Impulse für die Weimarer und Dessauer Moderne-Laboratorien lieferten. Die teils verwirrenden Ungarn-Schwerpunktsetzungen in der ständigen Ausstellung des Bauhaus-Archivs machen gleichzeitig deutlich, dass ihre Arbeiten zentrale Bestandteile des Mythos Bauhaus sind.
Mehr Texte von Iris Meder †

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Von Kunst zu Leben - Die Ungarn am Bauhaus
01.12.2010 - 21.02.2011

Bauhaus-Archiv / Museum für Gestaltung
10785 Berlin, Klingelhöferstraße 14
Tel: +49 30 - 25 40 02 0, Fax: +49 30 - 25 40 02 10
Email: bauhaus@bauhaus.de
http://www.bauhaus.de/
Öffnungszeiten: Mi - Mo, 10 .00 - 17.00


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