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Munich Contempo: Gut, frischer, am besten

Ein architektonisches Juwel, dieser „Postpalast“ in München, zehn Minuten Fußweg vom Hauptbahnhof, an der Hackerbrücke, grad’ ums Eck vom Augustiner, der ältesten Brauerei der Isar-Metropole. Ein schöner sachlicher Rundbau aus den Zwanzigern, und eine echt runde Sache war auch die erste Ausgabe der neuen Messe für Zeitgenössische Kunst, die „Munich Contempo“. Sie hat sich, mit gut 30 Galerien bestückt, mit ihrer Premiere wie kaum je eine Messe zuvor als zukünftiges „destination event“ empfohlen, als ein Ereignis, dass man sich fett im Kalender anstreicht. Damit das so wird, hat man sich entschlossen, die Ausgabe 2011 nicht mehr parallel zur „Wiesn“ stattfinden zu lassen, und dann wird man, bei erweitertem Angebot, auch die heuer knapp verpasste 10.000er-Marke bei den Besuchern knacken können. Die Messe hat sich ja gegen die Pläne einer Konkurrenzmesse durchsetzen können. Die sattsam bekannte, grantelnde Spaltpilz-Mentalität der Münchner hatte dazu geführt, und die Messe-Renegaten, die ihre Pläne zunächst begraben mussten, dann aber über die „Munich Contempo“ wandelten, neidgrün im Gesicht und mit brennendem Nacken, dürften wohl eingesehen haben, dass das, was sie vorhaben, wohl kaum etwas werden kann – zu fantastisch war die Qualität des Angebots der Munich Contempo. Da ist Wolf Krey und seiner Expo-Management, die ja auch in 14 Tagen die Kunst Messe München veranstalten (Kunst und Antiquitäten), ein echter Coup gelungen. Denn in der Tat hatte diese Messe höchstes Niveau. Da hatte es weder Schmuddelecken noch ästhetische schwarze Löcher, das war wie aus einem Guss. Das Spektrum, glücklicherweise, reichte von Art Brut und dem Grotesken über das Figürliche bis zum Konzeptuellen und Design. Meinte der in Pisa arbeitende Südtiroler Maler Giuseppe „Pino“ Donnaloia, der zu Besuch war: „Toll, dass man hier so viel wunderbare figürliche Malerei sieht!“ Er war wahrlich nicht der Einzige, der begeistert war. Auch Klaus Kiefer (Galerie KK, Essen), ein Aussteller, sagte: „Das ist die qualitativ beste Messe, die ich je gesehen habe.“ Die Stimmung war prächtig unter den Ausstellern, die Besucher beglückt. Manche verkauften sehr gut, manche nicht so (das Meiste wurde am Sonntag, in den letzten drei Stunden der Messe abgesetzt), aber auch die, die (zumindest noch nicht) auf der Sonnenseite des Kommerziellen standen, wollen wiederkommen: Man glaubt an diese Messe. Ein Rundbau lädt zu einem Rundgang. Der begann „räzerömm“ (kölnisch für „rechts herum“, schließlich ist nach Berlin die Art.Fair 21 zu Köln die dritte deutsche Zeitgenossen-Station im Herbst) mit CAS Salzburg, die Michael Scheirls „New Street Art“ zusammen mit Klassikern wie James Rosenquist und Sam Francis zeigten, dazu die Porzellan-Gegenstände von Ma Jun und den China-Pop-Künstler Zhou Cao. Unter anderem wurde hier ein Porzellanauto von Ma Jun für 14.500 Euro abgegeben. Galeristin Astrid de Knecht sagte dem artmagazine: „Wir sind sehr zufrieden. Hier herrscht Klasse statt Masse. Wir wollen keine 100.000 Leute hier haben.“ Ein Heimspiel hatte die Galerie Terminus, die mit vollem Programm gekommen war (und bei der ein Gerhard Richter im siebenstelligen Bereich wegging). Galerist Wilhelm Grusdat: Die Messe ist frisch, und, ganz ehrlich, da hat München drauf gewartet. Man soll dieses junge aber schon kräftige Pflänzchen gießen. Bemerkenswert ist, dass wir nicht nur Etabliertes, sondern auch junge Kunst verkaufen.“ Diese Mischung von Etabliertem und junger Kunst kennzeichnete die Messe insgesamt, und so auch das Programm der Galerie Winter (Wiesbaden) wo die echt edel geformten Skulpturen von Marta Pan (Praemium Imperiale 2001, gern „Nobelpreis der Künste“ genannt) mit der atemberaubenden Hinterglasmalerei von Michael Burges harmonierte. Ein „Renner“ auf fast jeder Messe sind die Videokästen mit ihren beklemmend-bedrohlichen Motiven (Mädchen schwimmt zwischen riesigen Raubfisch-Zähnen) von Marck, der unter anderem bei Peithner Lichtenfels aus Wien zu finden war. Bei Forsblom (Helsinki), der u. a. zwei Reliefs von Stephan Balkenhol abgeben konnte, gab’s alles von Spencer Tunick bis Joel Shapiro. Eine willkommene Ergänzung des Spektrums boten Jean-Pierre Ritsch-Fisch (Straßburg) und Klaus Kiefer (Essen). Bei Ritsch-Fisch konnte man wieder die in höchstem Maße individuierte, aber allgemein rekonstruierbare Fantasie von Francis Marshall bewundern, die filigranen Pseudo-Maschinen von A.C.M. (derzeit in der Schirn, Frankfurt) und ein erotisches Kabinett mit Zeichnungen von Antoine Bernhart (*1950) besuchen, dass echt starker Tobak war, aber genial. Klaus Kiefer zeigte drei seiner Starkünstler: Den in München arbeitenden Chinesen Yongbo Zhao, der durch seine wiederbelebte Rückbindung an China (das er ja nie verleugnet hat) ein neues Kapitel in seiner Kunst aufgeschlagen hat und der allervirtuoseste Malerei als Transportmittel für Unerhörtes einsetzt, den Großmeister des Allzumenschlichen, Johannes Grützke, und den traumhaft pinselsicheren, in höchstem Maße imaginativen Pavel Feinstein (gerade im Museum in Hagen gezeigt). Kiefer konnte u. a. zwei Grützke-Bilder absetzen. Ragna Robertsdottir ist, der Name schon verrät es, Isländerin. Ihre Einbildungskraft ist auch zwischen Feuer und Eis angesiedelt: Sie zeigte bei Hamisch Morrison (Berlin) drei linsenförmige, zweischalige Bodenobjekte aus Glas. Die obere Schale schützt die untere, in der eine rundliche Spur von Salzkristallen zu sehen ist, durch Verdunstung von Meerwasser entstanden. Jens Hafenrichter (Nürnberg) hatte u. a. Mel Ramos (demnächst große Retrospektive der Zeichnungen in der Galerie) und Julian Opie dabei, verkaufte aber auch mehrere Arbeiten der jungen, frischen Katharina Dietlinger. Malfreude und Bildpoesie auch auf dem Stand von Rainer Klimczak (Viersen), der mit Charlotte Eschenlohr, Geraldine Frisch und Monika Sigloch drei Künstlerinnen vorstellte, die im August in 798 in Peking Aufsehen erregten und hier gut verkaufen konnten. Gleich abgesetzt war eine große Nocturne von Kate Waters bei Voss (Düsseldorf), die künstlerischen Erdenkinder von Amador waren das Glanzlicht bei Maior (Palma de Mallorca und Pollensa) und viel Aufmerksamkeit erregten die Keramikskulpturen von Elmar Trenkwalder bei Bernard Jordan aus Paris, ebenso wie die dunklen Bilder von Stefan à Wengen bei Jiři Svestka (Prag), der eine große Skulptur von Tony Cragg verkaufte. In eine Münchner Privatsammlung verkaufte NON (Istanbul) Arbeiten von Esat C. Ba?ak, Arthobler (Lissabon) trennte sich von Videoarbeiten von Jakub Nepraš, Matthias Hauser von Foto-Arbeiten von Manuel Vilariño. Bemerkenswert: Refael Salem, ein Neoromantiker, der an der Bezalel-Akademie in Jerusalem studiert hat (bei CAP Tel Aviv) und die z. T. großformatigen Fadenbilder von Monika Thiele bei Dirk Supper aus Karlsruhe. Michael Schultz (Berlin, Peking, Seoul), der für eine der beiden Sonderausstellungen gesorgt hatte (nämlich Werke von Wolfgang Joop; die andere war Françoise Heitsch aus München mit einer kleinen Retrospektive von Klaus vom Bruch), sagte zur Messe: „Ozapft is für die zeitgenössische Kunst in München. Es gab einen großen Auftritt aller wichtigen süddeutschen Sammler zur Eröffnung, die auch schneller als anderswo gekauft und reserviert haben. Ein sehr guter Anfang, der berechtigte Hoffnung gibt, dass die Munich Contempo bald schon einen festen Platz im internationalen Messezirkus hat.“ Ja, und auch er verkaufte zwei Ma-Jun-Autos und, neben weiteren Werken, zwei große Leinwände von SEO (je 75.000 Euro; 8.10. Eröffnung der „12 Quadrate gegen den Krieg“ in der Galerie in Berlin). Ein wundervolles Kunstfest in München – ’s grad’ schad’, dass man die Wartezeit zur nächsten Ausgabe nicht verkürzen kann...
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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Munich Contempo
30.09 - 03.10.2010

Postpalast
80335 München, Wredestrasse 10
Tel: +49 431 680 380, Fax: +49 431 680 388
http://www.munich-contempo.com/
Öffnungszeiten: Donnerstag, 30. September bis Samstag, 2. Oktober 12-20 Uhr
Sonntag, 3. Oktober 11-18 Uhr


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