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Fokus Łódź Biennale 2010

Freiheit ja, aber wo die Unabhängigkeit? Weite, sie schwebte sogar in den Tiefen der ulica Piotrkowska – einer der längsten Handelsstrassen Europas. Unter dem Motto “Vom Platz der Freiheit bis zum Platz der Unabhängigkeit” findet zum dritten Mal die Fokus Łódź Biennale statt, die diesmal zumeist im öffentlichen Raum ausgetragen wird. Über 50 KünstlerInnen, ausgesucht von einer namhaften internationalen Findungskommission, haben ihre Projekte realisiert. Auf dem Platz der Freiheit pulsiert ein rotes Neonlicht in Form eines Herzens auf der Statue von Tadeusz Kosciuszko, der herausragende im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg besonders verdienstvolle Ingenieur, dem man deswegen am Ende des 18. Jahrhunderts die Führung des antirussischen Aufstandes in Polen anvertraute, worin er etwas weniger Geschick zeigte. Trotzdem ist er ein Nationalheld in Polen und darum dieses Herz auf seinem Denkmal an jener Stelle, die das Zentrum der Stadt sein sollte. Zu der Arbeit des polnischen Künstlers Pawel Hajncel gesellen sich andere nationale Symbole wie beispielsweise die betrübte Figur des Papstes Jan Pawel II – eine Skulptur von Artur Malewski. Auf der anderen Seite des Kosciuszko Ehrenmals verändert sich radikal die Atmosphäre. Auf der Platte des Platzes wartet ein hölzerner Liegestuhl von Alicja Antoszczyk auf seine Madame Recamier, die hier für einen Augenblick ausruhen würde, um ihr „Frühstück im Gras“ einzunehmen (genauer auf einer Matratze aus Gras). Von hier aus öffnet sich die abgrundtiefe Perspektive auf ulica Piotrkowska mit dem weit entfernten Platz der Unabhängigkeit, dieser erscheint zuletzt nahezu mystisch. Entlang dieser Route sind mehrheitlich die Projekte der eingeladenen KünstlerInnen verstreut. In diese Optik schreibt sich Daniel Knorr mit seiner spektakulären Version der Freiheitsstatue in Form einer schwarzen Tarnkappe mit Heiligenschein ein. Sie ist in einem verlassenen Innenhof aufgehängt. Die Größe und Höhe erlauben es, sie dem Haupt der weit entfernten Schwester überzustülpen. Ähnlich wie Hajncel und doch ganz anders, weil es die Gegenwart betrifft, überbrückt Knorr auf symbolische Art und Weise die Distanz zwischen Amerika und diesem Ort im Mitteleuropa. Von Amerika ohne Grenzen träumt die aus Mexiko stammende Erika Harrsch. Die Träume setzt sie in Tat um, indem sie auf den Habitus des “Königlichen” Schmetterlings anknüpft, der stets zwischen Mexiko und Kanada migriert. Die Reichweite dieser Flüge zeichnet das Territorium eines utopischen Staates nach, zu dem die Künstlerin Pässe erteilt (oder auch nicht). Zur Piotrkowska führt uns Marta Chilindron zurück. Ihre bestechende Vision dieser Straße in Form von aus Sperrholz ausgeschnittenen Silhouetten der aufeinanderfolgenden Stadtsegmente wird in zick-zack Abfolge zum Zusammenklappen gezeigt. Das Straßenbild wurde damit verdichtet und räumlich intensiviert. Reduzierte Maßstäbe führen uns von urbanistischen Innenräumen direkt in ein Kaffeehaus im ehemaligen Gebäude der Alten Philharmonie. Laura Bruce hat es mit ihrer subtilen Intervention in eine abstrakt wirkende Anordnung von Farbflächen von malerischer Qualität verwandelt. Die Malerei selbst - wie immer auf solchen Veranstaltungen - besetzt lediglich eine Nische, diesmal im Museum der Stadt Łódź . Dort jedoch befindet sich kein Nischenprodukt: Cold Shoulder von Luc Tuymans. Wir gehen vorbei, aber nicht gleichgültig, obwohl die Beleuchtung over sophisticated anmutet, und betreten schwarz-weisse Welten polnischer Kunst: konzeptuelle Fotografie der 1970er Jahren. Einer der Teilnehmer, dessen Arbeit dort gezeigt wird, ist Ryszard Waśko, der künstlerische Leiter der Biennale, Künstler und Initiator des Kunstfestivals „Konstruktion im Prozess“, das diese Biennale 2004 einleitete. Insgesamt steht der Fokus Łódź Biennale trotz beachtlicher Neuerungen nach wie vor ein Prozess bevor, der auf jeden Fall zur organisatorischen und eventuell auch konzeptuellen Verbesserung beitragen muss.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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