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Shilpa Gupta: Leisesprecherin der Globalisierung

Jeder Ort kann Zentrum sein. Als Bündelung von tief verwurzelten Interessen und weit sich verzweigenden Gemeinschaften, entsprechender Konflikte mit unabsehbaren Möglichkeiten. Als ein Fokus unter vielen. Ob in Gütersloh, Ramallah oder sonst wo. Oder in Mumbai, der immerhin fünftgrößten Metropolenregion der Welt, einer wahrhaft und wahnhaft ausufernden, ausfransenden Überstadt, Heim- und Wirkungsstätte von Shilpa Gupta. Die jetzt, nur einen lohnenswerten Kurzzeittrip entfernt in Linz aus dem (beinahe Über-) Vollen eines früh gereiften Werks schöpfen kann. In ihrer ersten introspektiven Überblicksausstellung im deutschsprachigen Raum und im Offenen Kulturhaus Oberösterreich, das sich weit über die Landesgrenzen hinaus als eine der wesentlichen Produktionsstätten für zeitgenössische Kunst etabliert hat. Shilpa Gupta, hoch gehandelter „Darling“ der gerade trendigen indischen Szene - von Überkurator Hans Ulrich Obrist in eine, seine Liste der 29 (?) wichtigsten Künstler des 21. Jahrhunderts aufgenommen - und so etwas wie deren Rollenmodell im unübersehbaren Beziehungssystem Kunst, führt dabei die geballte Pracht ihrer Arbeiten zu ihrem ureigenen Themenkomplex vor: Der Globalisierung mit all ihren bisweilen unschönen Schattenseiten, besser einer hybriden Form von „Glokalisierung“ (Obrist), oder wie das Globale im Lokalen aufscheinen, das Übermächtige des weltweit agierenden „Empire“ (© Michael Hardt / Antonio Negri) im nur unterwürfig dahin Vegetierenden aufblitzen kann. Und umgekehrt. Was zwangsläufig mit Terror (Mumbai!), Angst, Überwachung und Bedrohung, Schuld und wechselseitiger Zuweisung zu tun hat, den existenziellen Grundbefindlichkeiten und Gefühlslagen am Anfang des dritten Jahrtausends. Die „Ninja of the Mind-Field“ (so in einer Selbsteinschätzung) zelebriert und exekutiert in „Ein halber Himmel“ ihre so wohl kultivierten aktivistischen Ambitionen konsequenterweise in Scheingefechten auf dem Truppenübungsplatz des Geistes, und nicht auf den ausgetretenen Minenfeldern einer doch recht schäbig daherkommenden Realität. In ihren die alt bekannten Medien und Mächte sprengenden Environments, Fotoarbeiten und anderen Formen, Formalitäten, in denen die strikt gezogenen Demarkationslinien um Kunst und Leben, Freund und Feind unterhöhlt, geschottert und verschrottet sind. So in „Shadow 2“, wo der Besucher als Co-Autor der mehr bis minder „attraktive Attraktor“ (Jürgen Klauke) von Gegenständen des wirklich wahren Lebens ist, dem die Dinge in ihrem Dasein als Schatten- und Mängelwesen wie von selbst zufliegen. Bis er selbst unter dem Unrat von Leben, Lust und Laune begraben scheint. Kunst zum Mitmachen respektive Mitnehmen („Threat“). Oder wenn sich die maßlose Unmenge von gehäuften Mikrophonen, zu einer unheilschwanger drohenden Dolde verwoben, über die knapp bemessenen Grenzen des alltäglichen Tagesgeschäfts hinweg erhebt („I keep falling at you“): Was eben noch gefügig der Aufnahme von Geräusch und Gerede diente, sieht sich nur geringfügig manipuliert zu einem bestimmt vor sich hin murmelnden, magischen Objekt von Stimmen und Stimmungen umfunktioniert. Das sich sogleich verschließt, in einer ungerichtet abstrahlenden Linzer Klangwolke der ganz anderen Art verflüchtigt. Und Shilpa Guptas Arbeiten als vielzüngige Leisesprecher einer rundherum globalisierten Welt ausweist, deren Sounds und Visionen in Summe von der Polyphonie / Kakophonie von Städten und deren Bewohnern erzählen.
Mehr Texte von Stephan Maier †

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Shilpa Gupta
26.11.2010 - 30.01.2011

OK Linz
4020 Linz, OK Platz 1
Tel: + 43 732 7720-, 52502
Email: info@ooelkg.at
http://www.ooekultur.at
Öffnungszeiten: Di, So, Fei 10-18 h


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