Werbung
,

KIAF 2010: Der helle Klang der Kunstmünze

In drei Teile, so Julius Caesar, sei ganz Gallien geteilt. Nun, wohlan, der Kunst(messe)markt Asien ist ebenfalls dreigeteilt: Das Frühjahr wird von der Art Hong Kong dominiert, der Herbst steht im Zeichen der Korea International Art Fair (KIAF) in Seoul, und dazwischen wuseln zwei Messen in Beijing, zwei in Shanghai, eine in Singapur und so fort. In Singapur tut sich wohl etwas, denn der internationale Messemacher Lorenzo A. Rudolf, weiland als Vorgänger von Samuel Keller Chef der Art Basel, will dort etwas auf die Beine stellen. Zu diesem Behufe durchreiste er zu KIAF-Zeiten (9.-13. September, COEX, Seoul) Australien. Das erregte in Korea einige Aufmerksamkeit, denn 2011 soll Australien auf der KIAF mit 16 Galerien Gastland sein. Da schließt sich dann die Frage an: Kann man in Zukunft von Australien mehr erwarten? Immerhin waren vier Galerien des Kontinents in Seoul vertreten, zeigten aber sehr Australisches, stark von der Ästhetik der Ureinwohner Geprägtes, das seinen Platz hat, aber im Westen nur eine überschaubare Zahl von Freunden. Heuer war Großbritannien Gastland (mit 14 Galerien plus einer außerhalb des Gastprogramms). Diese Präsentation machte einen hervorragenden Eindruck. Ein Beispiel: Static aus Liverpool, die mit den aus Zigarettenschachteln gefalteten Fußballtrikots (in Schachtelgröße) von Leo Fitzmaurice einen echten Hingucker besaßen. Auch Mummery+Schnelle (London) verfügten über ein allein schon der Größe wegen vielbeachtetes Werk: Michael Muellers „Portrait of a River“, eine pseudotopografische Bleistiftzeichnung einer von oben gesehenen Flusslandschaft mit 100.000 Details, 148 cm hoch und 882 cm breit, entstanden 1998 bis 2003. Die Messe ist international, durchaus, mit 16 von 193 Teilnehmern aus Japan, 13 Galerien aus deutschen Landen (zum Teil gefördert vom Land NRW; Österreich hingegen scheint sich aus Asien weitgehend abgemeldet zu haben), sechs aus Indonesien (da ist noch viel zu erwarten), sogar eine aus Kolumbien. Diese, Galeria El Museo (Bogotà), hatte ebenfalls einen echten Knüller, Werke von Juan Francisco Casas. Dessen Malerei ist zwar eher unerheblich, aber seine Kugelschreibezeichnungen – eine Serie die einen weiblichen Rückenakt mit Walla-Walla-Frisur im Bette zeigt – sind 1000prozentig virtuos und geben dem verachteten Medium Kugelschreiber jenseits von Fabre und Hinteregger neue Würde in der Kunst. Die Qualität der Messe war durchgängig hoch, man hat es geschafft, praktisch alle „Schmuddelecken“ auszukehren. Und mit 120 Galerien stellt Korea die größte Zahl der Teilnehmer. Hier liegt auch das Charakteristikum der Messe: Während Hong Kong eher westlich orientiert ist, kümmert die KIAF sich stärker um Asien und speziell um koreanische Kunst. Es gibt aber keine „Hong-Kong-Kunst“; die Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China hat sehr gute Galerien, aber ist zu klein, um mit einer eigenen Szene international wirklich auftrumpfen zu können. Korea hingegen hat eine große und bedeutende nationale Kunst, die auch, und das seit mehr als 60 Jahren, international bedeutend ist. Koreanische Künstler sind auch im Westen erfolgreich: Baik Nam June (in Europa meist Nam June Paik genannt), Lee Ufan, Kim Chang Yeul (der mit den Wassertropfen), Kim Yusob, Kim Tschoon-Su (der Bilder nur in Blau malt), Kim Young Hee, Chun Kwang-Young (der mit den Papierpäckchenbildern), SEO (die zu den bedeutendsten zeitgenössichen Künstlern Koreas zählt; Meisterschülerin von Baselitz), um nur einige zu nennen. Bei den Koreanern war natürlich klar, dass Platzhirsche wie Hyundai und Kukje mit ihrem internationalen Programm auftrumpfen, aber es gab auch wieder etwas zu entdecken. Kwanhoon (Seoul) hat mit SINN (Kim Jinaun) eine sehr eigenständige Künstlerin im Programm (Meisterschülerin von Wolfgang Petrick, Berlin). Ihre neuesten Arbeiten beginnen einen zusätzlichen Raumdialog, da sie Streifen ihres spiegelnden Bildträgers auf Spiegel appliziert, Kim Tschoon-Su (bei Artforum Newgate, Seoul) hat in neuen Papierarbeiten diagonale Elemente zur bestimmenden Bildform erhoben, Kim Sunhyoung malt informelle gestische Lyrismen in dem Blau der traditionellen Keramik (Woong Gallery, Seoul) und bei Sun / Sun Contemporary (Seoul) steht man fasziniert von den animierten Leuchtkästen von Lee Sang Huyn, der in einem Werk u. a. als Musik die Symphonie aus der neuen Welt von Dvorak nutzt, in einer Aufnahme aus Pjöngjang. Er beweist, dass man Leuchtkastenkunst machen kann, ohne mit dem allerdings in der Tat großartigen Lee Lee Nam zu kollidieren, vor dessen multimedialer Bearbeitung von Klimts „Kuss“ (der auf der KIAF 2010 häufiger für neue Interpretationen herhalten musste) die Besucher zeitweise in Trauben standen (auf der KIAF vertreten von Hakgojae und Nine Gallery, beide Seoul). Natürlich schaut man gern auf überlebensgroße, knallrotbunte Pfeilgiftfrösche (von Geum Joomg-Ki, bei Leehwaik, Seoul), aber auch stillere Werke, wie etwa die Bilder von Seo Kee-Moon (bei Zeinxeno, Seoul) finden ihre Betrachter: Auf einem ist Marcel Duchamp als Angeklagter vor einem Gericht zu sehen, eine seiner Schriften liegt vor ihm, seine „Fountain“ steht im Hintergrund, und ein Zettel auf dem Buch spricht von der „Aufhebung des Scheins“. Kunst als Thema der Kunst kann in der Tat faszinieren. Manche Koreaner versuchen, oft erfolgreich, den Spagat zwischen Tradition und Moderne, etwa Wang Yeul (bei Baiksong) oder Lee Dong-Rok (bei Bongsung aus Daegu). Die deutschen Galerien konnten praktisch durchgängig überzeugen. Sei es Klimczak (Viersen) mit Pop Art und Werken der jungen Katharina Dietlinger, sei es Klose (Essen) mit Max Uhlig, der in Korea viele Sammler hat. Hier war man schon am 2. Messetag „sehr, sehr zufrieden“ und meinte, da man zum vierten Mal dabei sei, hätte man ja schon fast ein Heimspiel. Das gilt auch für Erhard Witzel (Wiesbaden) und die Mitstreiter des „hessischen“ Gemeinschaftsstandes (Christine Rother, DavisKlemm und Purrmann). Erhard Witzel: „Am Anfang war es etwas verhalten, aber dennoch gut. Wir kommen wieder. Es ist hier noch etwas ruhiger als vor drei Jahren, aber das wird.“ Und, bei DavisKlemm: „Wir haben treue Kunden, die kommen immer wieder, selbst wenn Sie nur Hallo sagen.“ Braunbehrens trumpfte mit den Videokästen von Marck (20.000 Euro) auf, Supper (Karlsruhe) mit den Bildern aus bunten Fäden auf Organza von Monika Thiele und den melancholischen Szenen von Andreas Wachter (den er auf der Munich Contempo präsentieren wird), Schulte-Goltz & Noelte (Essen) mit dem zitierenden Marodeur in der Kunstgeschichte, Frederic Speckelmeyer. Kommerziell gab sich die Messe durchwachsen. Viele verkauften sehr gut, etwa Peter Femfert (Die Galerie), der auch eine Dependance in Seoul betreibt: „Wir haben gut verkauft“, nämlich u.a. vier Plastiken von Dietrich Klinge, auch Bode (Nürnberg) waren hoch zufrieden, vor allem mit vielen Bestellungen und Reservierungen. Rainer Klimczak (Viersen) meinte: „Es läuft gut. Wir haben u.a. zwei Opies verkauft, haben gute Reservierungen und hochkarätige Kontakte. Die Messe generell zeigt sich qualitativ noch besser als 2009, und ich habe das Gefühl, dass die Stimmung in Korea wieder besser ist. Von einer Krise ist nichts zu spüren. Der koreanische Markt ist offenbar für Viele interessant – so gibt es zum Beispiel sehr viele Besucher aus Japan. Die Messe hat ihren Platz gefunden, es gibt wohl ein Duopol, nämlich Hong Kong und Seoul, wobei Hong Kong europäischer wirkt.“ Erstteilnehmer Leonard Ruethmueller (Basel) hatte ebenfalls „einen guten Eindruck“ und konnte Salustiano verkaufen („Rot kommt gut“) und war zu Recht stolz auf Original-Handzeichnungen von Yoko Ono. Manche, freilich, gaben sich viel zurückhaltender. Aber das ist halt überall so: Immer wieder stülpt sich die Gauss’sche Glockenkurve über alles, es könnte aber sein, dass sie demnächst wieder etwas schmaler wird. Das klingt dann heller.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

KIAF 2010
09 - 13.09.2010

COEX
137-731 Seoul, Samsung-dong
http://www.kiaf.org
Öffnungszeiten: 9.-12.5., 11-20, 13.5. 11-18 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: