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(re)designing nature. Aktuelle Positionen der Naturgestaltung in der bildenden Kunst und Landschaftsarchitektur: Revival der Landschaft

Die Zeiten, in denen die Natur ein Schattendasein im Bio-Eck fristete, sind vorbei. „Guerilla Gardening“ – die Aneignung von Brachflächen durch Bepflanzung - ist die sympathische Speerspitze der neuen grünen Welle in der Stadt. Damit ist das Potential, das engagierte BürgerInnen, Landschaftsplanende, Kunstschaffende und ArchitektInnen dem Grünraum abgewinnen, erst vage umrissen. Denn die Gestaltung von Natur erlebt eine Renaissance in vielen Kontexten und Dimensionen. Maria Auböck, die Doyenne hiesiger Landschaftsarchitektur, initiierte die Ausstellung „(re)designing nature“ im Künstlerhaus Wien. Deren Kuratoren Iris Meder, Susanne Witzgall und Florian Matzner bündelten über 30 internationale Projekte zu einer sehr geglückten Schau. Sie beweist, dass Planen mit der Natur heute ein vielschichtiger, oft interdisziplinärer, umfassend nachhaltiger und auch ästhetisch ansprechender Prozess ist. „Wir wollten zeigen, dass es viele verbindende konzeptuelle Elemente und inhaltliche Schwerpunkte zwischen Kunst und Landschaftsarchitektur gibt,“ so die Kuratoren. Reflexive künstlerische Positionen – wie die zu Rorschachtest-Klecks-Alikes beschnittenen, herbarisierten Blätter von Regula Dettwiler und die mobilen Container-Landschaften von Lois Weinberger – partizipative Projekte, großräumliche Stadtumbauten, die Renaturierung einstiger Industrie-, Militärareale und Mülldeponien: alles da. Auch futuristische Utopien – die nach bionischen Prinzipien im Plus-Energie-Standard konzipierten Gebilde von Architekt Vinzent Callebaut – sind vertreten. Das Kollektiv Paropoli legte am Trottoir vor dem Künstlerhaus mit Pflanzen in Töpfen einen temporären Wintergarten an. Ernten erlaubt. Im Stiftersaal türmte die holländische Künstlergruppe Observatorium Parkplatzflächen aus Styropor zum Gebirge auf. Ihre Installation „In die Wüste“ verweist auf den motorisierten Verkehr als prägendes Landschaftselement. Die Ausstellungsarchitektur von Michael Rieper und Christine Schmauszer setzt auf grüne Gemüsekisten. Für einen Galeristen verwandelte Hager Landschaftsarchitektur eine Tankstelle aus den 1950ern zum kontemplativen Garten, in dem eine Kiefer, immergrüner Bambus, ein Kirschbaum, Schilf und Wasser die ideale Balance zwischen mediterranem Fellini-Flair und asiatischer Stille halten. Bewohner von Detroit legten sich im verfallenden Zentrum der einstigen Metropole der Autoindustrie ihre eigenen Nutzgärten an. Damit begann deren Transformation zur durchgrünten Stadt. Ingo Vetter dokumentierte diesen Prozess. Madrid verlegte seine Stadtringautobahn in ein 43 km langes Tunnelsystem: West 8/Mrio arquitectos ließen darüber eine prächtige Flaniermeile entstehen. Als Reminiszenz an den historischen königlichen Obstgarten wurden in der „Huerta de la Partida“ Feigen-, Mandel- und Granatapfelbäume gesetzt, die Pflastersteine der Avenida de Portugal sind in Form von Kirschblüten gelegt, an deren Rändern man sitzen kann. Im urbanen, freiluftigen „Salon de Pinos“ wachsen über 8000 Pinien. Von dort führt die Fußgängerbrücke „Peunte cascara“ zum „Parque de Arganzuela“, in dessen Wasser Menschen gern baden, obwohl es verboten ist. In New York machte sich eine Bürgerinitiative für die High Line stark, die 1980 stillgelegt wurde. James Corner Field Operations und Diller Scofido + Renfro reanimierten deren verwachsene Gleise mit Terrassen, Bänken und Aussichtsplattformen zum wunderbaren Park, der sich in luftigen Höhen über mehrere Straßen hinweg durch Manhattans Häuserschluchten zieht. Das New York Restoration Project hegt Parks und Gemeinschaftsgärten in benachteiligten Bezirken. Einen davon entwarf Ken Smith, der auch den Dachgarten des MoMA gestaltet hat. Ein Film zeigt, wie er zur 12 Meter breiten, 27 Meter Parzelle fährt und ihre Nutzer trifft. Mit preiswerten Materialien plante er ihnen einen Garten mit Beeten und Spalieren an perspektivisch verzerrten Wegen. Das lässt ihn nach mehr aussehen. Das schönste Projekt stammt aus Indien und heißt „Ashar macha/Plattform der Hoffnung.“ In Kabir, dem größten Slum von Dhaka, säte Landschaftsarchitekt Khondaker Hasibul Kabir robuste Pflanzen aus, die auch in kontaminierter Erde wachsen. Mit seinen Studenten baute er auch eine Plattform über dem Fluss. Im dem von vielen Migrantinnen illegal besiedelten Slum gedeiht nun eine Oase der Schönheit. Zwischen Müll und Baracken gibt es freien Raum, Blumen, Schatten, Obst, Gemüse und eine Leihbibliothek auf Stelzen über dem Wasser. Die Bewohner lieben sie.
Mehr Texte von Isabella Marboe

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(re)designing nature. Aktuelle Positionen der Naturgestaltung in der bildenden Kunst und Landschaftsarchitektur
26.11.2010 - 27.02.2011

Künstlerhaus Wien
1010 Wien, Karlsplatz 5
Tel: +43 1 587 96 63
Email: office@k-haus.at
http://www.k-haus.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi + Fr 10-22 h


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