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Mihàly Biró - Pathos in Rot: Künstlerische Machtbilder

Die Liaison der Kunst mit der Werbung besteht mindestens seit der Pop Art und die Codes der Konsumgesellschaft werden in der Kunst oft als Vehikel der Kritik oder Reflexion über gesellschaftliche Entwicklungen benutzt. Gebrauchsgrafiker, Designer oder Künstlerinnen mit dem Hang zum Konzeptuellen arbeiten heutzutage sehr ähnlich, wobei es in diesem Bereich nur sporadisch markante Provokationen gibt. Kunst in öffentlichen Räumen, derzeit so en vogue, mag schon ab und zu auffallend sein, keineswegs sollte sie aber die Umgebung dominieren. Was die Plakatwerbung angeht, so wie es beispielsweise bei Wahlkämpfen der Fall ist, da machen die KünstlerInnen seit langem nicht mehr mit, auch weil ihre künstlerischen Leistungen kaum mehr gefragt sind. Am Anfang des 20. Jahrhunderts, als an transgressiven Modernisierungsreformen und derer Umsetzung herausragende Intellektuellen und Künstler tatkräftig und kompromisslos beteiligt waren, sah diese Entwicklung noch anders aus. Auf diese Epoche referiert die Ausstellung „Pathos in Rot“ im Kunstblättersaal des MAK. Sie ist Mihály Biró (1886–1948), dem ungarischen Gebrauchsgrafiker und „Plakatkünstler vom Weltformat“ gewidmet. Biró, einer der ersten Schöpfer dezidiert politischer Plakatbilder, erschuf 1912 als überzeugter Sozialdemokrat für die Sozialdemokratische Partei Ungarns das international geschätzte Emblem des „Roten Mannes mit dem Hammer“ mit Darstellung eines muskulösen Giganten, der mit einem Schlag die alte Weltordnung vernichtet, von dem das österreichische Museum immerhin eine Original-Postkarte besitzt. Das von Biró oft variierte Motiv des politischen Kehraus schreibt sich in diese klare Botschaft auch ein. Die Auswahl der 45 Plakate aus dem Sammlungsbestand zeigt die weitere Evolution des blutroten Nietzscheanischen Prometheus, der an kollektive Emotionen der unterdrückten Massen appellierend immer wieder in das quasi Religiöse schlüpft, um den Kapitalismus-Opfern Hilfe zu leisten. Gleiche antike Monumentalität und expressionistische Deformation verwendet der engagierte Künstler aber auch für Kommerzplakate, die während seiner Wiener Zeit für Meinl oder Wiener Messe entstanden sind. Nach der Flucht nach Wien vor dem „Weißen Terror“ des Regenten Miklós Horthy 1919, fertigte Biró den beispiellosen Zyklus von „Zeichnungen des Grauens“ bekannt als „Horthy-Mappe“ an, in der die gespenstischen Szenen einer Gewaltherrschaft wie Formen kostbarer Miniaturen behandelt werden. Da die Malträtierten meistens Juden sind, nimmt dieses sich auf Quellen und persönliche Berichte stützende Werk vielerlei voraus. Diese Mappe und seine späteren Poster für die österreichische Sozialdemokratie, von der konservativen Wiener Presse als geschmacklos verunglimpft, brachten ihn aber nicht davon ab, für seine Vision der (sozial)demokratischen Lebensreformen weiter zu kämpfen. Die Kraft der Arbeiterklasse und die Gespenster der Geschichte in eine neue visuelle Sprache für die breite Öffentlichkeit zu bannen, ist Biró nachhaltig gelungen, was man von der heutigen Kunstpraxis, die eine demokratisch fundierte „politische Wirksamkeit“ im Visier hat, meist vergeblich erwartet.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Mihàly Biró - Pathos in Rot
06.10.2010 - 09.01.2011

MAK - Museum für angewandte Kunst
1010 Wien, Stubenring 5
Tel: +43 1 711 36-0, Fax: +43 1 713 10 26
Email: office@mak.at
http://www.mak.at
Öffnungszeiten: Di 10-21, Mi-So 10-18 h


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