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Nachruf-Korrektur

Die nicht gewürdigten Verdienste des Rudolf Leopold

Gastbeitrag von Österreichs renommiertestem Museologen, Gottfried Fliedl auf Einladung von Vitus Weh

In den diversen Nachrufen auf den Sammler Rudolf Leopold wurden zwei entscheidende 'passive Verdienste' Rudolf Leopolds auf symptomatische Weise nicht erwähnt: Da ist zum einen das so genannte "Museumsquartier". Der dazu seinerzeit ausgeschriebene Wettbewerb brachte ein Siegerprojekt hervor, das allgemein sehr wohlwollend, wenn nicht enthusiastisch begrüßt wurde. Städtebaulich wurde es als offensive und selbstbewusste Auseinandersetzung mit der historischen monumentalen Bebauung der Nachbarschaft gewürdigt, architektonisch als Ensemble kontrastierender Module, die flexibel nutzbare öffentliche Räume definierten, inhaltlich als Aufbruch in eine nicht mehr herkömmlicher Musealität gehorchender Repräsentanz aller modernen Künste und Medien. Der Widerstand der Kronen-Zeitung, die Mobilisierung von Ressentiments gegen moderne Architektur und moderne Kunst hatte zur Folge, dass es ein langes und unerfreuliches Gezerre um die Bebauung gab und der preisgekrönte Plan mehrfach verändert wurde. Der definitive Bruch in der Konzeption des Ganzen war allerdings nicht die medial sehr stark wahrgenommene Verhinderung der Errichtung des Bibliotheksturmes, sondern die Entscheidung des damals zuständigen Ministers Erhard Busek, die Sammlung Leopold anzukaufen und dem Privatsammler auf Staatskosten ein Museum im Museumsquartier zu errichten. Wer erinnert sich noch an die austro-patriotische Rechtfertigung dieser überraschenden Wende durch Minister Busek? Wer erinnert sich noch an die unsägliche Begutachtung der Sammlung? Wer erinnert sich noch daran, dass der Ankauf erfolgte, ohne dass die Öffentlichkeit erfuhr, woraus diese Sammlung eigentlich bestand? Und vor allem, wer erinnert sich noch daran, dass aus dem großen avantgardistischen Museumsprojekt ein nur noch in Maßen modernes, zaghaftes Pasticcio eher zufällig und nach und nach gefundener und nachgebesserter Funktionen und Inhalte wurde? Es war Erhard Busek, der der Einrichtung einer Stiftung zustimmte und - mit großen Konsequenzen - die Einsetzung des Sammlers als Direktor des Museums auf Lebenszeit ermöglichte. Ohne diese Regelung, auf deren Fragwürdigkeit als einzige Zeitung bisher die Neue Zürcher Zeitung hinweist, gäbe es kein Restitutionsproblem Leopold-Museum. Aber der Satz "ohne Rudolf Leopold gäbe es kein Restitutionsproblem" hat noch eine zweite Bedeutung. Die Beschlagnahme zweier Gemälde der Sammlung Leopold in New York brachte eine Lawine ins Rollen. Erst dadurch wurde einer breiten Öffentlichkeit bewusst, dass in Museen (nicht nur in Österreichischen) tausende von Objekten als rechtmäßiger Besitz ausgestellt oder deponiert waren (und sind), die im Zuge der Arisierung der NS-Zeit oder durch andere rechtsbrüchige oder sittenwidrige Umstände in Museumsbesitz gelangt waren. Ohne diese Beschlagnahme in New York hätten sich Öffentlichkeit, Medien, Wissenschafter und Politik nicht mit der Tatsache konfrontiert gesehen, dass nach 1945 mit der Aneignung von jüdischem Besitz neuerlich jenseits oder am Rande der Legalität umgegangen worden war, die Interessen und Ansprüche der Beraubten missachtet oder negiert wurden und dass das kulturelle Erbe der Museen in nicht unwesentlichen Teilen - etwa Teile der Klimt-Sammlung des Belvedere - 'Raubkunst' war. Wenn die beiden Bilder “Wally” und “Tote Stadt III” nicht 1998 in der Ausstellung „Egon Schiele. The Leopold Collection Vienna“ im Museum of Modern Art New York beschlagnahmt worden wären, wäre in Österreich nie eine Raubkunstdebatte entstanden, die weit über diesen einzelnen Fall und weit über die umstrittene Ankaufspolitik von Rudolf Leopold hinaus zur Beschäftigung mit der ganzen und komplexen Geschichte der Kunstpolitik der NS-Zeit, auch über Österreich hinaus, führte. Ohne die durch einen Artikel der New York Times ausgelösten Beschlagnahme hätte es kein Restitutionsgesetz in Österreich gegeben, keine Provenienzforschung und auch keine dann vorbildliche Restitutionspolitik einzelner Museen. Statt diesen Verdiensten rühmten die Medien an Rudolf Leopold besonders, dass er die Bedeutung der Kunst Egon Schieles als erster erkannt hätte. Wenn man bedenkt, dass einige der Schiele-Werke in der Sammlung Leopold im Verdacht stehen, unrechtmäßig jüdischen Besitzern geraubt oder abgepresst worden zu sein, Sammlern, die offenbar die Werke Schieles lange vor Leopold sehr geschätzt haben, ist auch diese aktive Rühmung symptomatisch.

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Weitere empfehlenswerte Texte von Gottfried Fliedl finden Sie unter:
--> museologien.blogspot.com

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