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Ingrid Pröller - In den Wald hinein : Emphatische Naturstücke in planetarer Denkweise

Die Künstlerin komponiert ihre neuen mehrteiligen Landschaftsbilder meist mit überfrachtenden Farbtönen im Bildzentrum, die an den Bildrändern auseinanderweichen und sich auflösen. Schließlich wird die Farbe am Bildrand als Leerfläche substituiert. Unmittelbar durch dieses malerische Spiel von Fülle, Dichte, Leere und Auslassung rollt Pröller ein breites psychologisches Feld von Perzeptionen und Assoziationen aus, die sich mit Begrifflichkeiten und Vorstellungen wie Romantik, Idealismus, Naturalismus und Sensualismus – bis hin zu Melancholie –, Mystik oder Magie verbinden lassen. Suchen wir nach kunsthistorischen Erklärungen und Interpretationen, so manifestiert sich als denkbarer Anhaltspunkt der Stimmungsimpressionismus von Gustav Klimt, nicht zuletzt durch das Übernehmen von Klimts akzentuiertem Auftragen von Gold als Farbe in manchen ihrer Bilder. Daher drängt sich die Frage auf, ob Pröller im Wesentlichen bloß auf einen postimpressionistischen Kanon zurückgreift oder es ihr gelingt, mit malerischen Mitteln eine produktive metaphorische Sichtweise auf ein aktuelles Landschaftsbild innovativ umzusetzen. In ihren Bildern wirkt nichts versteinert, die Bildhaftigkeit oszilliert zwischen Fiktion und Vorstellung. Zwiespältigkeiten, hervorgerufen von Leere und Fülle, und sowohl kräftige, frenetische als auch zarte und pastellfarbige Farbtöne dominieren das Geschehen im Bild. Diese Art und Weise von Malerei zieht den Betrachter ins Bild „hinein“ und löst damit bewusst oder unbewusst einen kreativen Akt aus. Die Künstlerin konstruiert und malt Trugbilder, wodurch neue individuelle Phantasmen im Rezipienten in Gang gesetzt werden. Die Philosophin Eva Schürmann interpretiert diesen Prozess als eine Form von Bildermachen durch imaginäres Sehen „Die Einbildungskraft ist zugleich Leere und Fülle, Überschuss und Mangel, hervorbringend und zerstörerisch, Weltgewinn und Weltverlust, das eine ist ohne das andere nicht zu haben.“ (Schürmann, 2008) In Pröllers neueren Bildern werden Motive aus der Jugend- und Sportkultur mit den fiktiven Landschaftsdarstellungen verknüpft. Die Figuren sind umschlugen von dem satten und unkonventionellen Landschaftsbild, trotzdem wirken die Körper isoliert und erwecken einen befremdend abweisenden Eindruck. Dieser wird unterstützt durch den Effekt von gemalter Montage der Figuren, die in eine phantastisch anmutende Welt gleichsam „eingepflanzt“ sind: Es besteht keine Blickbeziehung zwischen Figur und Landschaft. Das wiederum konstruiert für unser Wahrnehmungsvermögen jedoch eine ungewöhnliche und nicht auszuschöpfende Spannung, als wären wir, die Betrachter, zufällig auf eine unbekannte Geschichte gestoßen. Dieses verzaubernde narrative Element tritt in dem großformatigen Diphtychon Lichtung zutage. Die Abgewandtheit, Isoliertheit und das Losgelöst-Sein von der Landschaft, hier vom gegenüberliegenden Waldinneren, wird durch die ruhige Handlung – ein sitzendes und schreibendes Mädchen – eindringlich verdeutlicht. Neben den emphatischen narrativen Implikationen in der Motivauswahl wie Jugendkultur und Sport, die sonst vorwiegend als Topoi in den Massenmedien reflektiert werden, wirft Pröller eine brisante anthropologische Perspektive mit ihren „Naturstücken“ auf, nämlich die Fragestellung des Dualismus zwischen Natur und Kultur mittels ihrer Bildsprache zu explizieren. Dazu soll hier auch auf Ingrid Pröllers Werkkatalog (2008) mit dem Titel „Body & Soul“ verwiesen werden. Ob tatsächlich der Separatismus zwischen Körper und Seele gezielt in Frage gestellt wird, bleibt in der Schwebe. Allerdings deuten diese neuen Bildwerke wie Naturstück 1-3 (2010), Schilfbruch, Triptychon (2009) und vor allem die Landschaften mit Figuren im Bild wie Lichtung (2005), Victor (2005) oder Traceur (2007) auf die Idee, eine Befreiung vom traditionellen Materialismus herbeizuführen, um sich eine planetare Denkweise anzueignen.
Mehr Texte von Romana Schuler

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Ingrid Pröller - In den Wald hinein
17.07 - 14.08.2010

Galerie Lisi Hämmerle
6900 Bregenz, Anton-Schneider Straße 4a/I
Tel: +43 5574 47 319, Fax: +43 5574 47 319
Email: galerielisihaemmerle@drei.at
http://www.galerie-lisihaemmerle.at
Öffnungszeiten: Mi-Fr 15-19, Sa 11-14 h


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