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Der Westen Leuchtet. Eine Standortbestimmung der Kunstlandschaft des Rheinlandes: Fixsterne und Planeten

Die Düsseldorfer Kunstakademie ist spätestens seit Beuys’ Tagen ein Hort großer zeitgenössischer Namen. Woran sich, seitdem Tony Cragg die Leitung von Markus Lüpertz übernahm, nichts geändert hat. Allerdings wurde von dort ein Kunst-Sturm a la Beuys schon lange nicht mehr los getreten. Immerhin zählt auch Fotokünstler Andreas Gursky, der Kunstmarkt-Megastar und Foto-Schüler der legendären Düsseldorfer Becher-Klasse, zu den lehrenden Neuerwerbungen. Indes leitet Gursky, wer hätte das gedacht, derzeit eine Malerei-Klasse. Dies allerdings wird geradezu kosmisch erklärbar in einer Ausstellung des Bonner Kunstmuseums, betitelt „Der Westen leuchtet“, die wahrlich nicht nur Gurskys fotografische Riesentafeln aus der aktuellen „Ocean“-Serie zeigt. Gursky blähte und bearbeitete Satelliten-Bilder, stauchte virtuell die Erdmassen links und rechts des Pazifik so, dass diese an den Rändern nur noch den Rahmen für sehr, sehr viel am Computer aufgewühltes, pulsierendes Meeres-Dunkelblau bilden. Zwischen meteorologischer Präzision und Farbfeld-Meditationen Mark Rothkos kann sich der Betrachter assoziativ zurechtfinden- grandios! Was hier - siehe Tagesaktualität - alles mitschwingt, muss nicht betont werden. Nur wenige Räume weiter ist das „Patenkind“ Gurskys einquartiert. Es handelt sich um den Bildhauer Bernd Kastner, fast gleich alt wie der Pate selber, geboren 1957. Zu sehen sind schroffe Terrakotta- Figurationen, mit immer wieder neuen Lasurschichten behaftet, dabei wie von Lava umspült und erstarrt. Das verwandtschaftliche Werkverhältnis ist in diesem Fall also nicht gerade eng und für den Besucher schwer nachvollziehbar. Das steht aber auch gar nicht im Mittelpunkt eines gigantischen, bis 24. Oktober terminisierten Bonner Ausstellungskonzepts, das an die besten Tage der Museumsmeile mit Bundeskunsthallen-Nachbarschaft erinnert. Grundsätzlich geht es darum, dem Gerücht (oder doch keins?) entgegen zu wirken, im Rheinland gingen allmählich künstlerisch die Lichter aus: Art Cologne und Kölns Kulturpolitik in der Dauerkrise, wenig Visionäres in den Ausstellungsprogrammen der großen Häuser, Exodus des Kunsthandels und junger Künstler Richtung Berlin. Deshalb wurde in Bonns Kunstmuseum, ausgestattet mit dem vielleicht repräsentativsten Spektrum deutscher Kunst seit 1945, eine Art temporäre Neueinrichtung in Form von 33 Künstlern in 33 Räumen vorgenommen. Das West-Leucht-System offeriert zunächst einen Kern aus arrivierten Rheinland-Größen, darunter Beuys, Cragg, Knoebel, Palermo, Polke und Richter. Zu den 14 „Paten“ - mit absolut freier kuratorischer Patenkind-Wahl, die den roten Faden also nicht bieten will - gehören etwa Bernhard Johannes Blume, Isa Genzken, Georg Herold, Albert Oehlen, Marcel Odenbach, Thomas Schütte oder Rosemarie Trockel. Unter den „Patenkindern“ dieses eigenwilligen Kunsterfassungs-Versuchs der Rheinland-Region, die Neues entdecken will und Bekanntes selbstbewusst belebt, um das rheinländische Wir-Gefühl aufzufrischen, sind mehrheitlich 1970er Jahrgänge, die halbwegs bekannt sind. So ist der Cragg-Schüler Gereon Krebber keine namentliche Überraschung: Wobei die anschwellend eleganten Organismen des Meistern in den verkohlten Rinderschlündern („Hinein und hinunter“, 2010) Krebbers nicht nachzuweisen sind. Ähnlich reizvoll die schwarz stilisierte Fotokunst Jürgen Klaukes, der mit Patenkind Christian Keinstar überrascht. Dessen tonnenschwere Konglomerate aus Abbruch-Stahlbeton sind durch rot glühende Metallfäden erhitzen. Hausherr Stephan Berg, gefördert durch das Land NRW und dessen Kunststiftung, durch den Landschaftsverband Rheinland und die Bonner Sparkassen-Kunststiftung, will betont auch kein anklagendes „Rheinland-bashing“ (O-Ton Berg) betreiben, er hat vielmehr eine „Grand Tour“ im Auge: Denn die Düsseldorfer Quadriennale geht seit September nicht nur in der erweiterten, neueröffneten Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen (K 20) in ihre zweite Ausgabe (mit Paik- und Beuys-Projekten). Nicht minder will man sich in das laufende Kulturhauptstadt-Projekt Ruhr2010 einklingen, wobei es dort mit entsprechenden zeitgenössischen Kunstprojekten nicht weit her ist. Bonns bedenkenswert bedenkliche West-Erleuchtung belebt zumindest wieder den Gesprächsstoff über Kunst und das Kuratieren von Kunst (dies sogar durch kuratierende Künstler).
Mehr Texte von Roland Groß

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Der Westen Leuchtet. Eine Standortbestimmung der Kunstlandschaft des Rheinlandes
10.07 - 24.10.2010

Kunstmuseum Bonn
53113 Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 2
Tel: +49 228 77 6260
Email: kunstmuseum@bonn.de
http://www.kunstmuseum-bonn.de/
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Mi 11-21 h


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