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Aus für Frankreich und Italien

Die geografische Erklärung: Alle Anrainerstaaten des Mittelmeeres haben bis auf einen, Spanien, bei der Fußballweltmeisterschaft die Finalspiele nicht erreicht. Dazu gehören Algerien und Slowenien, aber eben auch Frankreich und Italien. Alle Anrainerstaaten der Nordsee haben bis auf einen, Dänemark, die Finalspiele erreicht. Der Oxforder Archäologe Barry Cunliffe hat sein Gelehrtenleben damit verbracht zu rekonstruieren, wie die europäische Zivilisation um 8000 vor unserer Zeitrechnung im Norden seinen Ausgang nahm. Der Fußball scheint ihn jetzt zu bestätigen. Die physiognomische Erklärung: Die Welt hat genug von den Westentaschen-Napoleons, die momentan den Zeitgeist regieren. Zwei davon sind, zusammen mit ihren Fußball-Mannschaften, jetzt zurechtgestutzt worden. Der schlimmste von allen, ein gewisser Schweizer namens Blatter, erfährt das gerade Gegenteil. Doch auch ihn wird es noch treffen. Die ökonomische Erklärung: Die reichen Staaten, und Italien sowie Frankreich sind selbstverständlich Beispiele dafür, verquicken schon lange Glück und Reichtum. Während man früher den Mechanismus so verstand, dass Glück etwas mit Reichtum zu tun habe, verläuft die Wahrnehmung jetzt umgekehrt: Reichtum hat etwas mit Glück zu tun. Und weil man nun einmal reich ist, geht man davon aus, dass sich auch Glück einstellt. Das schafft den Erwartungsdruck, mit dem die Mannschaften dann unmöglich zurande kommen. Die institutionelle Erklärung: Der Welt-Fußballverband hält es auf eine absurde Art für opportun, die Schiedsrichter vor den Augen einer mit allen Wassern der technischen Möglichkeiten gewaschenen Öffentlichkeit als Idioten dastehen zu lassen. Alle sehen die Ereignisse doppelt bis fünffach, nur die Referees müssen der spontanen Eingebung folgen. Kein Wunder, dass sich alle für kompenter halten als diejenigen, die es buchstäblich zu richten haben. Dann gibt es Fehler, und wenigstens die Italiener sind ihnen wieder einmal, nach der haarsträubenden Inszenierung gegen Südkorea 2002, zum Opfer gefallen. Die österreichische Erklärung: Ein vorzüglicher Nebeneffekt im Entertainment-Betrieb WM sind die Postings im „Standard“. Die freudianische Front der Fußball-Experten in Österreich ergeht sich in wunderbarer Angriffslust, einmal mehr wird klar, warum das Land das reaktionärste der westlichen Hemisphäre ist. Unter anderem ist den Postings zu entnehmen, dass Frankreich und Italien, so wie sie den Fußball betreiben, nicht gemocht werden (andere werden auch nicht gemocht). Und so ist man sich angesichts der Ereignisse in den Spielorten St. Johann, Paternion oder Hallstadt einig, dass diese Länder auch dort nichts verloren haben. Nur der Constantini, die prominenteste Figur der diesjährigen Weltmeisterschaft, scheint es nicht zu kapieren. So wie immer.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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