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Der alte Mann ist tot

Und man glaubt es kaum – mein Heimatland funktioniert noch. Sicherlich für unseren Bundeskanzler war das Ableben so wichtig, dass er spontan mit seiner ORF-Begleitmannschaft eine wichtige EU-Sitzung verließ um sofort und medial seiner trauernden Nachrufpflicht gerecht zu werden. Und auch wenn von allen nicht vom Toten geliebten Politikern die Steine der Erleichterung von ihren Karrieren prasselten – das Nachrufgesülze feierte sofort so peinliche Statements, dass einem das beschämende Lachen im Hals stecken blieb. Wer weiß, wie die an der Medienmacht verbleibende Family eine nachrufliche Enthaltsamkeit aufnehmen würde. Egal, ob links oder rechts, Minister, Bürgermeister oder sonstige Abhängigkeitsbetroffene, alle benachruften den Media Maximus von Österreich. Selbst die zutiefst verärgerte jetzt scheinbar kaufwillige WAZ warf dem alten Mann scheinheilig den Satz nach „wir verneigen uns in tiefem Respekt vor seinem Lebenswerk“. Und sicher hat der wortglitschige Wolfgang Fellner in der Zwischenzeit schon längst seine neuen Visitenkarten mit der Berufsbezeichnung „einziger geistig legitimer Nachfolger“ zum Druck freigegeben. Aber alles, was der alte Mann als junger Mann begonnen hatte, verkehrte sich mehr und mehr ins methusalemisierte Gegenteil. Als ausgewiesener Phobienkaiser und exzellenter Hetzkampagnenmeister gab es für ihn nur ein kompromissloses Pro oder Contra. Er hatte stets das „Mobbige“ im Österreicher aufgespürt und instrumentalisiert. Er war ein Aufhetzer bis hin zum Menschenverächter. Als antidemokratischer Machtmensch hatte er engstirnig und egozentrisch jede Möglichkeit seiner Zeitung genutzt, stets Recht zu behalten. Gleich Miraculix hatte er für seine Leser und untertänigen Politiker seine wohlschmeckenden Catoreien gemixt und so lange verabreicht, bis möglichst viele seiner Anhänger seiner oft skurrilen aber meist gefährlichen Meinung waren. So konnte der alte Mann ungehindert vernadern, beschimpfen, verleumden, bekämpfen, vertreiben, aufhetzen. Und als sein bester Leserbriefredakteur konnte er gegen jeden, der nicht seiner Meinung war, geschickt und pointiert „als das Volk“ polemisieren. Sicher der alte Mann war Kunstliebhaber, der aber nur seinem persönlichen Geschmack verpflichtet war und der zum aufhetzerischen Gegner wurde, wenn es ums Zeitgenössische ging. Vieles könnte man bei einem Abgelebten milder sehen. Aber eines sicher nicht: Er hatte zahlreiche politische Weicheier verhampelmannisiert und gefügig gemacht für seine Machiavellismen. Er hatte mit all diesen Politikern die österreichische Demokratie durch seine hemmungslose Boulevardisierung beschädigt und dadurch leider auch unwürdige Nachfolger aus der medialen Schmuddelecke gelockt. Der alte Mann ist tot. Aber vielleicht gehen zumindest seine medialen Erben mit ihrer Macht demokratiebewusster um als der alte Mann.
Mehr Texte von Manfred M. Lang

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