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Tina Modotti - Fotografin und Revolutionärin: Propaganda mit menschlichem Antlitz

Die sozialdokumentarische Fotografie hat immer mit ihrer eigenen Ambivalenz zu kämpfen gehabt: Zum einen den Versuch zu unternehmen, Realitäten zumindest ausschnittweise abzubilden, um für sie zu sensibilisieren. Die Abbildung sollte den Abgebildeten schließlich nützen. Und zum anderen das Bemühen, die Reputation gerade nicht über solche Nützlichkeit zu beziehen, sondern über die formale Kraft, also künstlerische Kriterien zu bedienen und selbst auszubilden. Aber bereits das Ansinnen, die vermeintlich reine Dokumentation in den Dienst der aufklärerischen Sache zu stellen, ist mit der impliziten Einsicht verbunden, dass Abbildung immer auch Inszenierung ist. Denn sie soll ja bewegen. Zwischen reiner Kunst und reiner Propaganda aber gibt es bekanntlich eine unendliche Vielzahl von Variationen. Eine davon ist sicherlich die Position Tina Modottis (1896–1942). Ihre Schwarzweißfotos gehören wahrscheinlich zu den bedeutendsten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Geschult an der übergroßen Schärfentiefe in den Fotos Edward Westons, handeln Modottis berühmteste Bilder von Symbolen und Situationen sozialer und politischer Kämpfe. Einerseits berichten sie vom mühsamen Leben auf dem Land im Süden des postrevolutionären Mexiko und von den harten Arbeitsbedingungen von Werktätigen in Mexiko-Stadt. Andererseits zeigen sie strenge Arrangements von Gegenständen und Personen, die zu Ikonen der Arbeiterbewegung wurden: Die „Frau mit Fahne“ (1928), die vier von ihren Sombreros verdeckten mexikanischen Bauern, die die Zeitung der Kommunistischen Partei, „El Machete“, lesen und selbst das Detailbild der Schreibmaschine von Antonio Mella, dem kubanischen Kommunisten und ermordeten Lebensgefährten der Künstlerin. In den frühen 1930er Jahren vereindeutigt Modotti dann die genannte Ambivalenz und widmet sich ganz dem politischen Kampf. Sie geht nach Moskau und dann, wie viele ihrer linken, Kunst und Romane produzierenden Kolleginnen und Kollegen, in den Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939). Während Leute wie Gerda Taro, Robert Capa und Kathi Horna dort das sozialdokumentarische Dilemma äußerst fruchtbar weitertreiben, wird Modotti zur kunstfernen und – glaubt man dem ansonsten einfühlsamen Romanporträt, das Elena Poniatowska von ihr gezeichnet hat – dogmatischen Parteikommunistin. Die Retrospektive zeigt neben der Propaganda mit menschlichem Antlitz auch Strukturfotografie, Frauenporträts, Malereireproduktionen und Genrebilder aus dem beeindruckenden Oevre der aktivistischen Künstlerin.
Mehr Texte von Jens Kastner

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Tina Modotti - Fotografin und Revolutionärin
01.07 - 07.11.2010

KunstHausWien
1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 13
Tel: +43 1 712 04 95 0, Fax: +43 1 712 04 94
Email: office@kunsthauswien.com
http://www.kunsthauswien.com
Öffnungszeiten: Opening Days 29.02.-3.3.2024


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