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Geschichte der Skepsis, Gedichte vom Frosch

Wieder einmal muss der Jahrtausendwechsel als Menetekel und Anlass für Rückblicke in angeblich zu Ende gegangene Epochen dienen. Da sich die Zeit aber nicht um runde Zahlen schert und einfach und unbeirrt ihrer Wege geht, darf man mit Fug und Recht auch konstatieren, dass Zeitalter nicht mit dem Gongschlag zur Mitternacht ins Grab zu sinken pflegen. In diesem Sinn erklärt Gerd de Bruyn die Moderne für noch nicht erledigt und gibt ihren Friedhofswächtern einiges zum Nachdenken mit auf den Weg, indem er an das selbstkritische Potenzial des Neuen Bauens und der Spätmoderne erinnert. Dies allerdings in allzu wenigen Fallbeispielen, die über Hugo Häring, Bruno Taut und Hans Scharoun plus, als Vertreter des späten 20. Jahrhunderts, Peter Eisenman nicht hinausgehen. Die modernekritische Gedankenwelt des mit Häring gut befreundeten Josef Frank und seines von der Wiener Sprachkritik beeinflussten Kreises bleibt unerwähnt. Dass Le Corbusier Häring regelrecht hasste (was dem Buch die erste Titelhälfte gibt) und sich weigerte, an Kongressen teilzunehmen, wo er mit Härings Anwesenheit rechnen musste, wird erwähnt, aber nicht wirklich erklärt. Ungenannt bleiben auch die Stimmen der Architekturkritiker Peter Meyer, Julius Posener und Adolf Behne, der bereits 1923 in Le Corbusiers Stadtplanungen die Angst vor der Form als Hauptgefahr des Funktionalismus erkannte. De Bruyns Analysen bewegen sich dieser konkret architektonischen Kritik gegenüber auf philosophisch geprägtem Niveau, indem sie zunächst die politische Semantik der Moderne seit Ledoux anreißen, dann aber primär die Bezüge der Genannten zu zeitgenössischen Denkern erläutern. Schön ist das an einem Haiku aufgehängte Kapitel über de Bruyns \"Frosch\" Bruno Taut und seine Auseinandersetzung mit der traditionellen japanischen Architektur. Plumpsklo statt Marmorbad? Es gibt wohl keine Antwort. Gerd de Bruyn, Fisch oder Frosch oder Die Selbstkritik der Moderne (Bauwelt Fundamente 124). Gütersloh/Berlin: Bertelsmann; Basel/Boston/Berlin: Birkhäuser, 2001
Mehr Texte von Iris Meder †

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