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Raum für Kunst

Venedig, die Lagunenstadt, ist für die Kunstgeschichte im Grunde das, was die Galapagosinseln für die Biologie darstellen: Mancherlei Bildgattungen gibt es nur hier – das Dogenporträt sowieso, aber auch die Prozessionsbilder, in denen sich die Gesellschaft spiegelt -, und manches ist hier entweder sehr früh oder viel zu spät entstanden – die Sacra Conversazione mit den synthetisch zusammengestellten Heiligen um eine thronende Madonna herum oder das Stilleben zum einen, die Abwendung vom Ikonen-Schema zum anderen. Es gibt eine andere Stadt am Wasser, wo es ein wenig auch so funktioniert: Antwerpen. Hier, in der Stadt von Rubens, van Dyck und Jordaens, hat sich etwa ein Bildtyp entwickelt, auf den man ein Monopol hat, und der steht jetzt im Mittelpunkt einer wunderbaren, gerade zwanzig Exponate umfassenden und damit ein wunderbares Beispiel für die neulich hier bejubelte Beschränkung abgebenden Präsentation. Im Den Haager Mauristhuis zeigen sie unter dem Titel „Room for Art“ eine Musterschau zum Thema Galeriebild (und ein Stockwerk darüber, als wäre das alles noch zu wenig, eine weitere Sutdioausstellung zum Frühwerk Jan Vermeers). Ein Werk, das das Kunsthistorische Museum verliehen hat, steht im Mittelpunkt. Es stammt von David Teniers, dem Hofkünstler des Habsburger Statthalters in Belgien Leopold Wilhelm. Der Erzherzog brachte seine umfangreichen Bilderbestände in den Hofstaat des Kaiserhauses ein, wo sie alsdann dem KHM einen gehörigen Grundstock lieferten. Teniers hat diese Bestände, vor allem von Venezianern wie Giorgione und Tizian, aber auch Raffaels „Margarethe“, im Jahr 1651 auf einer eigenen, einzigen Leinwand festgehalten, um eine Art Meta-Bild zu schaffen, eine Inventur der Inventionen, eine Bestandsaufnahme des Bestehenden. Rahmen an Rahmen fügen sich die Werke zu einer einzigen Wand, und sie fügen sich lückenlos in dieses Kontinuum. Sämtliche Unterschiede in den Größen hat Teniers verschliffen, um nur ja keinen Spalt abzugeben an etwas, was nicht Kunstbesitz ist. Entwickelt wurde das Prinzip in den Jahrzehnten davor. Ein ansonsten wenig bekannter Meister namens Willem van Haecht ist mit drei Beispielen vertreten, und weil sein Auftraggeber von eher mittlerer Soziabilität war und es womöglich nicht ganz reichte, ihn allein als Person und Besitzer in den Mittelpunkt zu rücken, dachte sich van Haecht zusätzliche Szenen hinzu, den alten Malermythos etwa, wie Apelles Campaspe, die Geliebte des großen Alexander, porträtiert, oder, besonders aktuell angesichts der Zustände im Nordern der Niederlande, einen Ikonoklasmus, bei dem Bilderstürmer ihr notorisches Unwesen treiben und dabei Eselsohren zu Schau stellen. Jan Brueghel, der Blumenmaler, ist mit einer Allegorie auf die Malkunst vertreten, das obligatorische Bilderdefilee mit Heiligen- und Heldengeschichten um sich, doch wem widmet sich die Dame Pictura an ihrer Staffelei? Natürlich einer appetitlich arrangierten Floristik. Wofür war er nun gut, ein solcher Raum für Kunst? Eindeutig für die Person. Sie steht, als Sammler und Träger von Exuberanz, im Zentrum. Raison d'etre des Ortes ist die aristokratische Verfügung, in die hinein sich mehr und mehr auch der Künstler reklamiert. Hier stehen die Herrschaften auf der Bühne der Repräsentation, und markieren eine Öffentlichkeit, die sie selber sind. Die Bilder liefern dieser Bühne nichts anderes als die Kulisse.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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