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Schlafende Schönheit - Meisterwerke viktioranischer Malerei aus dem Museo de Arte de Ponce: Brav im Schlaf

In der Poetik spricht Aristoteles manchmal über Malerei. Zum Beispiel verlangt er, dass der Dichter für die Tragödie die Helden so machen soll wie ein guter Maler ein Portrait: ähnlich und schöner als die Wirklichkeit. Die Ausstellung handelt von mehr als Dornröschen, obwohl es drei enorm querformatige Gemälde von Edward Burne-Jones mit schlafenden Rittern, schlafenden Höflingen und einer schlafenden Gummibarbie gibt. An ihnen hat der Maler drei Jahre sehr eifrig gearbeitet und soviel Gelichter und Farbknödelchen aufgebracht, dass man die Massivität der dargestellten Müdigkeit adäquat nachempfinden kann. Kunsthistorisch werden in hinreichend unaufdringlichen Wandtexten Verbindungen zwischen der präraffaelitischen, nazarenischen und der arts-and-crafts-Bewegung bis hin zum Jugendstil aufgezeigt. Wer schauen will, was auf den Bildern vorkam, bevor die Impressionisten Schule machten und die Avantgarde erfunden wurde, kann sich füllig informieren. Aber es wäre schade, den allgemeinen Bildungswillen zu stur zu verfolgen und dabei wohlmöglich einzeln grotesk Erfreuliches zu verpassen. So sticht ein eiserner Herzog einen Bären ab, und die dadurch gerettete Dame bebt so samtsauber, als wäre sie aus Porzellan (Franz Dobiaschofsky, Herzog Ernst der Eiserne rettet Cimburgis von Masowien). Gegenüber hat Judith Holofernes mit Stirnrunzeln und dezent rostfarbenen Blutspritzern gerade so erstochen, dass man sich fragt, ob sie dabei über ein mathematisches Problem gestolpert ist (Johann Peter Krafft). Isolde hält einen goldenen Becher, in dem sich ihre Finger spiegeln (Frederick Sandys, Ysoude with the Love Philter), und diese kaum handtellergroße Malerei ist delikat und mühelos. Isoldes Gesicht hingegen wirkt eher als dargestellter Frauentyp ohne persönliches Interesse, ähnlich einer Parfumreklame, was wohl, da es ja um unsterbliche Liebe geht, kaum schaden kann. Daneben erweist sich Klimts Portrait der Sonja Knips als avantgardistischer Vorgriff – die einzig konzis gesetzten Punkte finden sich als Lichtreflexe in den Augen von Sonja Knips. Alles andere, das tuffige Kleid, die ambivalente Körperhaltung zwischen Korsett und Ungeduld, die Blumen neben dem Kopf und in der anderen Bildecke – alles andere, mit leichten Strichen Gemalte zieht in eine dynamische und erfrischende Unschärfe, die jede Einklemmung durchs Ornament meidet. Sonja Knips sieht nicht vereinnahmt aus, nicht dekorationswillig und nicht müde und in einem Schlafzimmer wäre das Bild wohl kaum von Nutzen. So wirkt es als erfrischender Kontrapunkt zu der mit andachtsvoller Tapete und Tulpen-Sideboards museal sakralisierten King-Arthur-schläft-in-Anwesenheit-von-17-Personen-Monumentabild-Installation (Burne-Jones, 279,5x650,2), die man flüsternden Schritts abschreiten kann, um endlich im letzten Raum das Plakatbild der Ausstellung und zwei weitere schlafende Frauen zu sehen. Weder Arthur noch die Frauen sabbern, röcheln oder schnarchen. Sicher sind sie ähnlich und doch schöner als die Wirklichkeit. Aber wenn wirkliche Schönheit wirklich schlafen würde, wäre man nicht sehr ungeduldig, dass sie aufwacht?
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Schlafende Schönheit - Meisterwerke viktioranischer Malerei aus dem Museo de Arte de Ponce
15.06 - 03.08.2010

Unteres Belvedere
1030 Wien, Rennweg 6
Tel: +43 1 795 57-200, Fax: +43 1 795 57-121
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere.at
Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 21 Uhr


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