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Elefantengedächtnis

Karola Kraus scheint Vertrauen in die österreichischen Kontrollinstanzen zu haben. Vorige Woche wurde sie vom „Standard“ auf die heiklen Umstände ihres „Family-Kunst-Business“ (sie kommt aus der Sammler- und Galeristinnen-Familie Grässlin) und die daraus resultierende Notwendigkeit, sie „unter Beobachtung zu stellen“ angesprochen. Kraus meinte dazu: „Diese Aufgabe werden das Ministerium, das Kuratorium und das Publikum sicher übernehmen.“ Davon kann man ausnahmsweise tatsächlich ausgehen. Versagt jegliche Kontrollfunktion dort, wo es um wirklich viel Geld geht (wie halt bei all diesen Grassers, Meischbergers und Rumpolds), so wird im Biotop Kunst üblicherweise auf Unvereinbarkeiten äußerst empfindlich reagiert. So hängt es Ingried Brugger bis heute nach, dass sie einst ihrem Mann Christian Ludwig Attersee im von ihr geleiteten Kunstforum eine große Einzelausstellung gewidmet hat. Dieser Lapsus war der beliebteste Einwand gegen Brugger als Köb-Nachfolgerin. Vergessen schienen darob ihre wunderbare Schwitters-Ausstellung, ihre mutige, weil eben nicht breitenwirksame Malewitsch-Schau. René Magritte, Georges Braque, Willem de Kooning, die Futuristen: all das schien zu verblassen angesichts von Bruggers ungeschickt platzierter Ehegatten-Personale. Ihrer Kollegin, die noch bis Oktober die Kunsthalle Baden-Baden leitet, wurde erst kürzlich zu familienfreundliches Handeln vorgeworfen. Jene Ausstellung, die sie im März eröffnete – ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, als sie in Wien zur neuen Mumok-Direktorin bestellt wurde und eigentlich vorgestellt hätte werden sollen – war dem 1971 geborenen Stefan Müller gewidmet. Die „Stuttgarter Zeitung“, nicht gerade begeistert von dessen Kunst, fragte sich, warum „ausgerechnet er für eine Einzelausstellung in einer staatlichen Kunsthalle ausgewählt wurde.“ Antwort: „Vielleicht, weil seine Galeristin Bärbel Grässlin die Schwester der noch amtierenden Kunsthallenchefin ist?“ Müller ist nicht nur im Programm von Kraus‘ Schwester, sondern auch in der familieneigenen Sammlung Grässlin. Schiefe Optik– vor allem, da der Künstler eben nicht zu den absolut unverzichtbaren Positionen zählt. Nur: Ein Abgleich zwischen dem Programm der Kunsthalle Baden-Baden einerseits und Galerie wie Sammlung Grässlin andererseits ergeben so gut wie keine Überschneidungen: Jene Positionen, die Kraus in den letzten Jahren als Soloausstellungen präsentierte, sind weder dort noch da vertreten. Dennoch: Wird Kraus in Wien Franz West oder Herbert Brandl zeigen können, ohne dass man es ihr zum Vorwurf macht? Beide werden schließlich von ihrer Schwester vertreten. Wie schaut es aus mit Fischli & Weiss, Isa Genzken oder Cosima von Bonin? Sie alle haben Werke an die Grässlin-Sammlung verkauft. Karola Kraus wird extrem vorsichtig sein müssen. Sollte sie sich in Wien eine Ausstellung wie jene von Stefan Müller leisten, dann wird ihr das auf ewig und drei Tage angekreidet werden. Auch wenn sie ansonsten weitgehend frei von derartigen Familienförderungsprogrammen agiert. In manchen Angelegenheiten hat man hier schließlich ein Elefantengedächtnis.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
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steinderweisen | 18.05.2010 02:29 | antworten
man muss da gar nicht so in die ferne schweifen. schliesslich werden west, brandl etc. auch von wiener galerien vertreten. da wäscht somit eine hand die andere-

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