
Roland Schöny,
Mike Bouchet - Retreat: Ramponierte Warenwelt
Hier ist eindeutig Agression im Spiel. Doch nach welcher Seite erfolgt der Angriff? Dem Chaos nach könnte dem Künstler Mike Bouchet die Rolle des aktiven Zerstörers zukommen. Genausogut könnte es sich um Notwehr handeln. Gegen eine Ökonomie, die stets auf Vernichtung hinausläuft. Doch die Brüche, die Bouchet in seiner – visuellen – Sprache hinterlässt, sind bloß semantischer Natur. Wenn er etwa einen Indoor Golfplatz im neuen Kunstraum von BAWAG Contemporary am Wiener Franz-Josefs Kai zu einem Schlachtfeld aus ruinierten Golfschlägern und verstreuten Bällen macht.
Teils von Ironie, teils von kynischer Agression getrieben legt er die Oberflächenpolitik in der Warenwelt offen. Er widmet sich der Textur von Life-Style und Konsum-Kultur. Konservendosen treten bei ihm nicht als Mythos des kapitalistischen Alltags wie bei Warhol, und nicht als verpackte Scheisse wie bei Manzoni auf; sondern als gescheiterte Produktion ohne Gebrauchswert. Selbst hergestellte und längst verdorbene Hamburger schimmeln aufgestapelt in verführerisch schimmernden „CANBURGER“ Dosen dahin. All dies spitzt sich in der Arbeit des in Frankfurt lebenden kalifornischen Künstlers in der Frage nach der Struktur von Wertbildungsprozessen zu. Bekanntlich bauen diese stets auf der Verdichtung des symbolischen Scheins auf. Das Zeitalter des Gebrauchswertes liegt längst hinter uns. In der Entlarvung dessen korreliert die Alltagskritik Bouchets, mit der Hinterfragung von Zeichensystemem der Kunst selbst.
Bouchet karikiert diverse Spielereien der Wellness-Gesellschaft. Etwa deren zentrales Klassen-Sysmbol: den auch Jacuzzi genannten Whirlpool. 2005 schon war dies Thema seiner Ausstellung im Kunstraum Innsbruck. Verdrehte, zerknautschte und somit kaum benützbare Jacuzzis aus Karton und Polyester-Fieberglas, benannt noch dazu nach entbehrlichen Figuren wie Berlusconi oder Lionel Ritchie, sind als Dekonstruktionen lesbar. Selbstverständlich leiten sich daraus wieder neue Konzepte für Skulptur und Objekt ab. Fast zu routiniert jedoch spielt Bouchet all dies in der Ausstellung der BAWAG durch. Er beherrscht die ars combinatoria der Gegenwartskunst glatt und perfekt. Alles wird ausgestellt. Seine Skizzen und Konstruktionszeichnungen ebenso wie seine an Werbebotschaften erinnernde Malerei. Am interessantesten immer noch die Jacuzzis. Und das Golfdebakel. Als Rauminstallation. Ironischerweise gesponsert von Nike. Am Rand eine schwer ramponierte nackte Liegende aus Eichenholz in Anlehnung an Henry Moore, auf deren Holzoberfläche mit Golfschlägern eingedroschen wurde.
Vorgestellt mit dieser Personale werden auch die neuen Räume von BAWAG Contemporary selbst. Gemeinsam mit einem lichten Keller bieten sie aktuell eine der interessantesten Topografien für Ausstellungen mittleren Formats in Wien. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Raumformationen zwischen Wiesingerstraße und Franz-Josefs-Kai, die durch einen glasüberdachten Innenhof verbunden sind. Eine Brücke bildet den Übergang vom Ausstellungsbereich zu Büro- und Nebenräumen. Weit offene und intime Situationen, zur Straße hin geöffnete wie auch geschützten Bereiche im Keller stehen hier zur Fortsetzung jenes Programms offen, das stets große, bekannte, relevante Positionen in unerwarteten, besonderen Einzelpräsentationen bringt, wie auch emerging artists genau in solchen Momenten berücksichtigt, bevor diese internationalen Star-Status erreichen. Auf das weitere Programm kann man gespannt sein, ebenso wie auf die Personale von Mike Bouchet ab 1. Juli in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt, wo er im Anschluss an sein schwimmendes Einfamilienhaus bei der letzten Kunst-Biennale von Venedig den Mythos Eigenheim fokussiert.
Mike Bouchet - Retreat
07.05 - 30.06.2010
BAWAG P.S.K. Contemporary
1010 Wien, Franz Josefs Kai 3
http://www.bawagpskcontemporary.at
Öffnungszeiten: täglich 14-20h
07.05 - 30.06.2010
BAWAG P.S.K. Contemporary
1010 Wien, Franz Josefs Kai 3
http://www.bawagpskcontemporary.at
Öffnungszeiten: täglich 14-20h