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Manfred Pernice - Tutti / Sonia Leimer - No Site to Fall in: Inside in – Inside out

Wie ein Demonstrationsbanner lädt eine Plastikplane mit dem Schriftzug Manfred Pernice am Eingang des Salzburger Kunstvereins zum Betreten seines gleichzeitig als Ausstellungsdisplay funktionierenden bühnenartigen Rondells „Tutti“ im Hauptraum ein. Nach seiner Teilnahme an der 1. Berlin Biennale 1998 wurde Manfred Pernice zum „Bildhauer –Shootingstar“ und zählt seitdem durch seinen in der Realität verankerten und mit spröden low-budget Materialien wie Pressspanplatten, Pappe oder Dosen hantierenden Skulpturenbegriff zu den gefragtesten Erneuerern bildhauerischer Kategorien. Sowohl in seiner weiteren Materialauswahl, die von Fundstücken über Fotokopien zur Geschichte des „Hotel Europa“ in Salzburg - wo er während seines Salzburgaufenthaltes abstieg - über Fotoarbeiten zu einer demolierten Brunnenanlage in Potsdam bis zu Kommentaren gegenüber anderen Künstlerkollegen wie Ai Weiwei reicht, als auch in der Integration anderer Werke von Petra Trenkel, Klaus Göltz oder Benedict Traunfellner verfolgt Manfred Pernice konsequent sein mit gängigen Einzelpräsentationen brechendes Motiv einer ko-ausstellenden „Teilnahme“ und „Ausbreitung“. Fotoarbeiten und Bilder von verfallenden modernistischen Stadtarchitekturen und die Rückübertragung minimalistische Paradigmen auf alltägliche Formen treten in ein reges Wechselspiel mit je nach Raumperspektive variierende Konstellationen von gestapelten Kuben. Raue Gebrauchsspuren auf dem autonom in einer Raumecke positionierten Holzobjekt „Dr. Fragenbank“ (2009) lassen keinen Zweifel daran, dass Pernices skulpturale Anordnungen erneut durch ihre Übergriffe auf alltagsästhetische, soziale, architektonische oder urbane Situationen kulturzivilisatorische Prozesse einer kritischen Relektüre unterziehen. Manfred Pernice laborartige Hinterfragung der Bedingungen und Möglichkeiten des Ausstellens an sich spielt mit Überblendungen künstlerischer Autorenschaften. Teils sind die in der Liste angeführten KünstlerInnen fiktive Figuren oder Pseudonyme für eigene Produktionen. Wie in der Zeitraum-Skulptur „Tutti“ von Manfred Pernice greifen in der Installation „No Site to Fall in“ von Sonia Leimer im Kabinett des Salzburger Kunstvereins geschichtliche und gegenwärtige Zeitbegriffe in der räumlichen Situation eng ineinander. Sonia Leimers installative Intervention „Support Structure (#1)“ (2010) schwingt in Anspielung auf die technischen Errungenschaften der Raumfahrtarchitektur als architektonisches Fragment wie eine überdimensionale Satellitenschüssel quer durch den Raum. Ihre Krümmung bewirkt eine Ausdehnung, lässt dem Raum größer wirken - in unserer Wahrnehmung expandieren. Schräg gegenüber stimulieren Einspielungen des Videoloops „Maybe a Diameter of 20 Miles“ (2010) unser Imaginationsvermögen über „Mars analog sites“- also Orten, die aufgrund ihrer marsähnlichen Formationen für die Simulation von Raumfahrtmissionen und als Hintergrundskulisse für Filmklassiker wie Stanley Kubricks „Odysee 2001“ oder Star Trek dienten. Für „Maybe a Diameter of 20 Miles“ verwendete Sonia Leimer geliehenes Material aus der für das Fernsehen gedrehten „Mars Desert Research-Dokumentation“ mit Landschaftsaufnahmen und der Mars Desert Research Station, die vom Science Fiction Regisseur James Cameron und Astronauten als Forschungsstation gegründet wurde. Via Monitor abgespielt werden Aufnahmen, die in der Endproduktion herausgeschnitten und für die Fernsehausstrahlung nicht verwendet wurden. Was im medialen Konsum ausgeblendet bleibt, blendet Sonia Leimer in ihrer Montage ein, bringt so eine weitere Facette in der Konstruktion medialer Wirklichkeiten ins Spiel. Einander gegenüber hängen aus der Serie „Maybe a Diameter of 20 Miles“ (2010) Siebdrucke mit den ersten Bildern vom Mars, die damals mit mittlerweile technisch längst überholten Kameras von Satelliten verschwommen aufgenommen wurden. Gedruckt wurden die Bilder auf den für zukünftige Marsexpeditionen mit Aluminium beschichteten Stoff für Raumanzüge. Während diese Bilder in uns Fantasien über eine Reise durch die unendlichen Weiten des Weltraums auslösen, fügt Sonia Leimer dem Setting durch ernüchternde Berichte von Astronauten eine reale psychodynamische Komponente hinzu. Wir sind jedenfalls gelandet.
Mehr Texte von Ursula Maria Probst

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Manfred Pernice - Tutti / Sonia Leimer - No Site to Fall in
04.02 - 11.04.2010

Salzburger Kunstverein
5020 Salzburg, Hellbrunnerstrasse 3
Tel: +43 (0) 662/84 22 94-0, Fax: +43 (0) 662/84 07 62
Email: office@salzburger-kunstverein.at
http://www.salzburger-kunstverein.at
Öffnungszeiten: Di-So 12-19h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Kritik ist wohl der falsche Ausdruck...
Ebfrasula | 10.04.2010 10:40 | antworten
für diese Beschreibung. Einzig nur "sehr klug". Wegen Häufung ähnlicher Vorkommnisse eine Anregung an die Redaktion: Eine neuen Blog unter dem Begriff "Ausstellungsbeschreibungen" einführen.

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