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Paula Modersohn-Becker. Pionierin der Moderne: „Münder wie Wunden, Ausdruck wie Cretins“

Wäre Paula Modersohn-Becker ein Mann gewesen, hätte die blumige Kunstliteratur ihrer Zeit sie wohl einen Titanen genannt. In den nur zehn Jahren ihrer künstlerischen Karriere – Modersohn-Becker verstarb im Alter von 31 Jahren – entstanden etwa 750 Gemälde und 1000 Zeichnungen, nicht nur ein umfassendes Oeuvre, sondern vor allem auch ein visionäres. Die Kunsthalle Krems zeigt daraus 85 Gemälde und 60 Zeichnungen – und schließt damit eine Lücke, wurde Modersohn-Beckers Werk doch bis dato in Österreich noch nie in einer Einzelausstellung präsentiert. Zu Recht und ausgiebig wurde anlässlich der Kremser Ausstellung bereits ihr „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“ von 1906 abgefeiert; der laut Katalog erste Selbstakt einer Frau in der Kunstgeschichte, dramaturgisch ausgeklügelt weit hinten gehängt, beeindruckt tatsächlich, nicht nur aufgrund seiner kunsthistorischen Bedeutung. Doch nicht weniger bahnbrechend erscheinen die Kinderporträts: Die Kleinen erscheinen gelangweilt, verschlossen, manchmal geradezu wie Miniatur-Monster: „Hände wie Löffel, Nasen wie Kolben, Münder wie Wunden, Ausdruck wie Cretins“, hätten sie, jammerte ihr Mann, der anständige, aber langweilige, weil offenbar triebgehemmte Otto Modersohn. Tatsächlich: Ein Säugling guckt blöde und mit hängender Lippe vor sich hin, ein kleines Mädchen mit überdimensionalem Ohr wirkt wie einem Alptraum entsprungen: Die reinste Antithese zur Geschichte eines Genres, das allzu viele Künstler zum Lieblichen, bisweilen sogar Kitsch verführt hat. Ebenso führt die Ausstellung jedoch auch vor, dass sich Modersohn-Becker erst in ihren letzten Lebensjahren von Einflüssen wie etwa den Nabis oder auch älteren Expressionisten-Kollegen wie etwa Munch löste – angesichts ihres frühen Todes freilich ohnehin so jung wie wenige. Sie selbst fand ihre frühen Gemälde aus Worpswede später „dunkel und saucig“, arbeitete hart und intensiv an ihrem eigenen, heute unverwechselbaren Stil. Manches doch recht konventionelle Stillleben, manche Landschaft hätte man in die insgesamt überaus sehenswerte Ausstellung nicht unbedingt einschließen müssen. Zur Demonstration der Genese dieses alles andere als netten Werks dienen sie allemal.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Paula Modersohn-Becker. Pionierin der Moderne
14.03 - 04.07.2010

Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh


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