Werbung
,

Kunst im öffentlichen Raum

Der öffentliche Raum ist umstritten, aber das ist kein Problem, sondern seine Auszeichnung. Bereits in der Antike war der öffentliche Raum ambivalent: Er war einerseits ein Ort der Diskussion, andererseits aber auch des Streits und der Ausschlüsse (von Fremden, Frauen und Sklaven). Austausch und Konfrontation lagen dicht beieinander. Das entsprechende altgriechische Wort dafür ist „Agon“ (Αγων), es bedeutet „Kampf“ und „Wettstreit“, ursprünglich jedoch ganz allgemein „Versammlung“. Die Stadt Wien hat in den letzten Jahrzehnten viele Spielarten des Themenfeldes Kunst und Öffentlichkeit erlebt. Manche, wie z.B. die Kunst-am-Bau-Praxis wurde bereits in den 1920er Jahren im kommunalen Wohnbau institutionalisiert, in den 1930er u. 40er Jahren wurde sie politisch, in den 1950er u. 60er Jahren wurde sie paternalistisch instrumentalisiert, in den 70er Jahren verkam die Kunst am Bau dann zur Entschuldigungsgeste für schlechten Wohnbau. Die einst öffnende Kraft war da aus dem Medium längst entwichen. Einen Aufschwung erlebte das Thema erst wieder ab 1990. Geschuldet war es einerseits einer Privatinitiative namens „museum in progress“, andererseits den verschiedenen Bundeskuratoren für Bildende Kunst, die jeweils für zwei Jahre von 1991 bis 2000 tätig waren. Beides brachte eine ganz neuartige Projektkultur und damit verbunden auch neue Medien und neue Ästhetiken auf den Plan. Das „museum in progress“, eine von Josef Ortner und Kathrin Messner 1990 gegründete Initiative, verschaffte lokalen und internationalen künstlerischen Positionen nicht nur im Stadtbild via riesigen Plakaten und auf Gebäudefassaden eine enorme Präsenz, sondern auch im öffentlichen Raum der Medien via ganzseitigen Schaltungen in Tageszeitungen, Wochenmagazinen oder auf den Infoscreens der Wiener Linien. Entwickelt wurden die Reihen jeweils von freien Kuratoren. Die verschiedenen Bundeskuratoren wiederum, eingesetzt vom österreichischen Kulturminister Rudolf Scholten, sollten dezidiert Kunst außerhalb der etablierten Museen und Institutionen fördern. Der Mut zum Radikalen und zur Privatinitiative wurde damals also massiv von öffentlicher Hand unterstützt. Das Resultat war eine äußerst lebhafte Projektkultur, die Wien im Bereich der Bildenden Kunst mehr als zehn Jahre lang belebte. Kritische Interventionsgruppen wie die WochenKlausur entstanden ebenso wie selbst organisierte KünstlerInnenprojekte oder der Diskursraum Depot. Auch die Initiative „SoHo in Ottakring“ stammt noch aus diesem Zeitgeist. Doch ansonsten wurden ab 2000 die freien Projekte in Wien deutlich weniger. Der öffentliche Raum begann damit auszutrocknen. Selbst so herausragende Anlässe wie der EU-Vorsitz von Österreich führten nur zu peinlichen Versuchen der Kunst-Instrumentalisierung zu Marketingzwecken. Prinzipiell gilt: Je mehr Gruppierungen und Personen sich am Agon der Stadt beteiligen, umso öffentlicher ist der Raum. Dass in Wien mit der städtischen Förderinstitution KÖR (Abkürzung für „Kunst im Öffentlichen Raum“), einer Unterabteilung der Kunsthalle Wien, derlei Aktivitäten nun seit einigen Jahren wieder aktiv gefördert werden, ist einerseits erfreulich, dass sie damit aber gleichzeitig monopolisiert werden, gibt auch Anlass zur Skepsis. Eine öffentliche Förderung für „freie Projekte“ ist dadurch strukturell kaum mehr existent, weder auf Seiten des Bundes noch der Stadt Wien. Parallel zu einem internationalen Trend wird stattdessen versucht, alle Kunstaktivitäten im öffentlichen Raum an etablierte Kunstinstitutionen zu übertragen. Das muss per se noch nicht schlecht sein. Eine Professionalisierung verhindert vielleicht die schlimmste finanzielle Selbstausbeutung der Akteure, aber sie verhindert eben auch die Kritikfähigkeit von Projekten, sie verhindert jene Kauzigkeit, die Reibung und lokal neue Handlungsräume entstehen lässt – von Radikalität und Subversivität ganz zu schweigen. Wohin die Entwicklung führt, ist bereits abzusehen. Die Kunst im öffentlichen Raum wird eingebunden in das immer wichtiger werdende Standortmarketing der Städte, in touristische und stadtplanerische Belange, in die Profilierung und Vermittlungsagenden von Einkaufsstraßen und Kunstinstitutionen. Auch das ist ein Agon, ein Wettstreit des Öffentlichen in einem großen Maßstab, und seine Ausschlüsse liegen heute eben im Bereich der lokalen Belange, der Privatinitiativen und Communities.
Mehr Texte von Vitus Weh

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: