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Norbert Pfaffenbichler - Silent Alien Ghost Machine Museum: Im Geisterhaus der Mediengeschichte

Wie wohltuend. Eine Ausstellung, die sowohl Filmmotive wie auch zentrale Soundkonzepte des 20. Jahrhunderts und deren „making of“ thematisiert, ohne der Anmaßung, tönen zu müsen. Es bleibt still im zentralen Raum des „Silent Alien Ghost Machine Museum“ von Norbert Pfaffenbichler im Grazer Kunstverein Medienturm. Als Objekte aus Karton stehen hier die Schatten von Luigi Russolos futuristischen Lärmmaschinen „Intonarumori“. In den Schalltrichtern Bildmaschinen mit schwarz-weiss Auswurf von Filmzitaten. „Silenzio“ ertönt es ohne ein einziges Dezibel. Ein visuelles Zitat aus „Le voyage dans la lune“ („Reise zum Mond“ von George Méliés, 1902). Eines der Mondgesichter hebt zum Schrei an, schneidet Grimnassen, bleibt aber unhörbar. Die Hülle eines avantgardistischen Sound-Apparats wird in einen tonlosen Projektor umfunktioniert. Zahlreiche kunst- und medienhistorische Verweise eröffnen sich. Alten Medien wie Kinematograph, Stummfilm, Soundgeneratoren werden mit ihren neuen Pendants verkoppelt. Ihre historische wie auch technische Instabilität, die Fragilität von Repräsentation wird bis an die Grenze zum Absurden auf die Spitze getrieben. Sofern es in der Gegenwartskunst überhaupt noch möglich ist von Überraschungen zu sprechen, drängt sich dies hier auf. Bekannt ist zwar, dass Pfaffenbichler seit eineinhalb Jahrzehnten einen filmhistorischen Diskurs führt; als Künstler wie als Kurator. Doch kaum eine seiner Präsentationen bisher war derart extensiv, verzweigt und in ein Labyrinth von Metaebene zu Metaebene geleitend. Norbert Pfaffenbichlers Sprache steckte lange ein streng geometrisches Koordinatenfeld ab. Als Kurator forcierte er Ende der 1990er Jahre die Präsentation der aus dem Feld der Neuen elektronischen Musik heraus entstandenen Visuals als „austrian abstracts“ und später im Ausstellungsraum als „abstraction now“. Richtung mathematischem Minimalismus tendierend sind außerdem Pfaffenbichlers Medienarbeiten gemeinsam mit Lotte Schreiber. Nun hingegen führt er in ein Experimentarium der Perzeption. Vorhänge werden geöffnet, Einblicke in die Filmgeschichte als Bühne der Perpetuierung und Extension. Etwa in der Videoinstallation „Dough and Dynamite“ nach dem gleichnaigen Slapstickklassiker von Charles Chaplin (1914). Als Projektion der Einzelszenen auf eine Wandzeichnung enthüllt Pfaffenbichler in Form eines projektiven Mappings die räumlich geographische Verschachtelung und das System der Ortswechsel in den neun Szenen des Films. Entlang der Tangente von Raumkonzepten bewegt sich auch die Videoinstallation „Card Games“. Von oben gefilmt bestreiten mehrere Paare nach frei erfundenen Regeln ein Spiel mit Kunst-Postkarten. Neuerlich ein Perspektivwechsel also. Das Video wird auf einen an der Wand befestigten Tisch projiziert. In Kurzform beschreiben lässt sich keine der Installationen. Sei es die Videocollage „O. T.“ mit stereotypen Verkörperungen Adolf Hitlers oder der Raum „Luna Kapella“ mit einer anspielungsreichen Hommage an das Werk Pierre Paolo Pasolinis. Pfaffenbichler dekonstruiert nicht, indem er die Zeichen auf ein Reales zurückführt. Vielmehr scheint es, als öffne er in der Verdichtung neue Assoziationsräume. Die persönliche Ebene wird nicht ausgeklammert, sondern die Person Pfaffenbichler selbst als mehrfache Konstruktion vorgeführt: Auf einer Fotografie als Geist im geisterhaften Szenario der Kindheit und als physiognomisch Verwandter der Comic-Figur Thaddäus Tentakel aus der Trickfilm-Serie „Sponge-Bob“. Genau dies löste bereits kontrovers geführte Diskussionen aus. Hie und da waren schon kritische Anmerkungen an dieser scheinbar grenzenlosen Form der Re-Inszenierung zu vernehmen. Aber beginnt hinter diesem Spiel nicht endender Befragung der Bühne des Medialen nicht das Terrain der Subversion? Zeigt sich nicht erst hier, dass wir seit der Genrierung des kinematographischen Raumes im späten 19. Jahrhundert eine Achterbahn permanenter Inversion befahren? Eine Welt also, in der die Bilder als Objekte stärker sind als wir, die vermeintlichen Subjekte. Aber dies wurde bereits weiter führen zu „Alice in Wonderland“ und Pinocchio. Weitere Motive im Museum der Geister von Norbert Pfaffenbichler im Grazer Medienturm.
Mehr Texte von Roland Schöny

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Norbert Pfaffenbichler - Silent Alien Ghost Machine Museum
05.03 - 22.05.2010

Kunstverein Medienturm
8020 Graz, Josefigasse 1
Tel: +43 316 261 13 81-31, Fax: +43 316 261 13 81-30
Email: office@medienturm.at
http://www.medienturm.at


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