Werbung
,

A Star is Born - Fotografie und Rock seit Elvis Presley: Von den Augen in die Ohren

Auf einem seiner letzten deutschen Konzerte vor wenigen Jahren griffen die Ordner richtig zu. Es ging aber nicht um späte Mädchen, die einen noch späteren Tiger namens Tom Jones eine „Sex Bomb“ unterschieben wollten. Der Zugriff richtete sich vielmehr auf Fotografen, die nach den ersten offiziell erlaubten Pressefoto-Minuten im Verlauf des Konzerts weitere „Schüsse“ aus dem Hintergrund machen wollten. Selbst ein in die Jahre gekommener Tiger ist um sein Image besorgt, besonders dann, wenn er nicht mehr ganz so fotogen transpiriert. Angesichts der ohnehin abstrakten Welt musikalischer Töne und hinsichtlich der besonderen Kurzlebigkeit der Pop- und Rockszene, die gerade im umsatzentscheidenden kommerziellen Gedächtnis bleiben soll, gilt rigoros: Was bleibt, sind die Bilder. Vom Credo neusachlicher Fotografie in den 1920er Jahren – „Zeige, was ist“ - bleibt die Starfotografie ausgespart. Von der perfektionierenden Neuschaffung jener höheren Charts-Wesen in unseren Tagen, via Computerprogramme wie Photoshop einmal ganz zu schweigen. Nicht zu vergessen You Tube, Videoclips und das Internet als neue strategische Vermarktungsfelder. Vorbei, vorbei. Doch eine Ausstellung im Essener Museum Folkwang ruft nostalgisch aus „A Star is born – Fotografie und Rock seit Elvis“ und schaut zurück, unterstützt durch Plattencover, Zeitschriften und Autogrammkarten, nicht zuletzt durch Bravo - Starschnitte. Vor allem aber griff Ute Eskildsen, Schülerin Otto Steinerts und seit vielen Jahren Leiterin einer der bedeutendsten Foto-Sammlungen der Republik, zurück auf 250 Fotografien, die 60 Jahre fotografischen Starkult publikumsnah auffächern sollen. Von Elvis Presley im schwitzenden Schwarzweiß bis zu den filmsetmäßig arrangierten, cleanen Kreationen einer Annie Leibovitz. Bevor der umkreischte Tag anbrach, als Elvis im GI-Look nach Bremerhaven kam, fotografiert Alfred Wertheimer 1956 einen klampfenden Youngster namens Elvis Presley: ein noch relativer Nobody, der in einer Zugtoilette Papierhandtücher sucht, mit einem Plattenspieler auf dem Schoß die eigene Single(!) anhört und mit dem Kofferradio in der Hand aus dem Bahnhof von Richmond /Virginia stolpert: Keine Spur von Imagepflege und Öffentlichkeitsarbeit, Bildfreigabe und exklusiven Fotoverträgen oder gar Leib-Fotografen, die allerdings die Klassik-Branche nicht minder schätzt – siehe nicht nur Herbert von Karajan. Ebenso wie sich mittlerweile große Konzerne eine „corporate identity“ zulegen, die das Bild in der Öffentlichkeit durch bestimmte Farben, Designsprachen, Kulturfördermaßnahmen oder Schrifttypen ins allgemeine Bewusstsein heben sollen, machen das die Rockstars seit den 1970er Jahren nicht anders. Man denke nur an das Rüpel-Image eines Fank Zappa: der Rockstar auf dem Klo sitzend – ein Poster-Ikone. Gehalt und Gestalt verschmelzen. Vor allem die Plattencover wirkten im Starfoto-Geschichtsverlauf extrem bildprägend: Denkt man an die Beatles auf der Abbey Road oder die Rolling Stones mit dem von Andy Warhol kreierten Sticky Fingers-Reißverschluss: smarte Jungs und breitmäulige Underdogs, fertig ist das Image. Und es fließt über, von den Augen in die Ohren, dann in die zuckenden Beine und den Oberkörper, um letzendlich in der Geldbörse zu kulminieren. Schön zu lesen ist das Interview mit dem Philosophen Theodor W. Adorno, der 1969 meint: "Die Verbindung von Protest und Unterhaltungsmusik ist zum Scheitern verurteilt. Vietnam und Schnulze, das passt nicht." Da hat er eigentlich geirrt, womit wir beim Jargon der Eigentlichkeit wären - und in einer anderen Ausstellung.
Mehr Texte von Roland Groß

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

A Star is Born - Fotografie und Rock seit Elvis Presley
02.07 - 10.10.2010

Museum Folkwang
45128 Essen, Kahrstrasse 16
Tel: +49 201 88 45 000
Email: info@museum-folkwang.essen.de
http://www.museum-folkwang.de
Öffnungszeiten: Di, Mi, Sa, So 10-18, Do, Fr 10-20 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: